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11.12.2020

Medizingeschichte mit Lokalbezug

Die Ingolstädter Maskentonne im Museum

Ausgerechnet Corona hat die Corona-Ausstellung im Deutschen Medizinhistorischen Museum – zumindest vorerst – verhindert. Eigentlich sollte die Sonderausstellung „Die Ingolstädter Maskentonne“ Mitte November eröffnet werden, doch mit dem Teil-Lockdown mussten die Museen erneut schließen.

Sobald die Museen wieder öffnen dürfen, erwartet die Besucherinnen und Besucher aber eine Ausstellung mit aktuellem medizinhistorischem und gleichzeitig engem Lokalbezug. „Als wir die Ausstellung entwickelt haben, haben wir uns die Frage gestellt, wie die Stadt Ingolstadt mit der Situation umgeht“, erklärt Johanna Lessing, die zusammen mit ihrer Kollegin Greta Butuci die Ausstellung kuratiert hat. „Deshalb haben wir die Masken-Sammeltonne ins Zentrum gestellt, die im Frühjahr sieben Wochen lang auf dem Rathausplatz stand.“
Die Stadt hatte im März dazu aufgerufen Alltagsmasken zu nähen und diese in eine umfunktionierte blaue Papiertonne zu werfen. Denn gerade in den ersten Wochen der Pandemie waren Mund-Nasen-Masken noch schwer zu bekommen. Und nicht nur Schutzkleidung war im Frühling Mangelware, sondern auch – zumindest empfanden es viele so – Waren wie Mehl, Nudeln oder Klopapier. Dies wird gleich an der ersten Station sehr humorvoll anhand zahlreicher Karikaturen dargestellt.

Das Herzstichmesser, das in einer kleinen Vitrine präsentiert wird, war eigentlich Gegenstand der vorangegangenen Sonderausstellung „scheintot“. „Unser Kollege Alois Unterkircher wollte die Leihgabe wieder nach Wien zurückbringen, allerdings wurde sein Dienstreiseantrag aufgrund der Pandemie abgelehnt. So fand es, zusammen mit dem abgelehnten Antrag, auch in dieser Ausstellung einen Platz“, schmunzelt Greta Butuci.
Neben dem Dienstreiseantrag ist das Fahrtenbuch eines INKB-Mitarbeiters ausgestellt. Während des Lockdowns im Frühling hatte dieser regelmäßig die Maskentonne geleert, die eingesammelten Masken zum Waschen zu den Lebenshilfe-Werkstätten gefahren oder neue Gummibänder zu den Maskenschneiderinnen im Theater gebracht.

An Hörstationen erzählen Ingolstädterinnen und Ingolstädter von ihren Erlebnissen und Erfahrungen während der Pandemie, darunter der stellvertretende Leiter der Berufsfeuerwehr Florian Wenzel, Johann Wöhrl von den Kommunalbetrieben, zwei Schneiderinnen des Stadttheaters, die wochenlang mit vielen anderen Alltagsmasken genäht haben, oder ein Lehrer von der Mittelschule Oberhaunstadt. „Die Hörstationen werden auch in Zukunft immer wieder aktualisiert und neu bespielt, damit die Ausstellungsbesucher einmal die gesamten Pandemie-Monate aus Sicht unterschiedlichster Akteure nachhören können“, so die Kuratorinnen.

Regelmäßig aktualisiert wird auch die „newsroll“, ein Papierband, auf dem die neuesten Zeitungsbeiträge zur Pandemie, zum Virus oder zu potenziellen Impfstoffen und -verfahren, aufgeklebt werden. Sobald die Artikel von den aktuellen Entwicklungen überholt werden, wird die newsroll heruntergedreht, direkt hinein in den Shredder. Damit ist wieder Platz für die neuesten Beiträge.

„Mit dem ersten Lockdown im Frühjahr kam uns die Idee zur Ausstellung“, schildert Greta Butuci. „Im Museum haben wir ja ohnehin viele Objekte zur Seuchengeschichte, jetzt können wir live miterleben, wie die aktuelle Pandemie die Historie berührt.“ Und ihre Kollegin Johanna Lessing ergänzt: „Wir erleben seit zehn Monaten Medizingeschichte, und zwar in einem atemberaubenden Tempo. Selten passiert etwas so schnell wie jetzt, beispielsweise die Entwicklung eines Impfstoffs. Und wir können alles begleiten.“

Aktuell ist nicht abzusehen, wann die Museen wieder öffnen dürfen. Doch gerade jetzt, während des zweiten Lockdowns, kann die Erinnerung an die Situation im Frühling und ein Vergleich unserer Reaktionen recht erhellend sein.
„Wir hätten uns gewünscht, in der Ausstellung mit den Besucherinnen und Besuchern ins Gespräch zu kommen. Aber vielleicht entwickelt sich ja ein Austausch im virtuellen Raum?“, so die Kuratorinnen.
Und natürlich gibt es auf der Website des Museums Fotos und Informationen zur Ausstellung. „Noch was Wichtiges“, ergänzen die beiden. „Der Besuch der Ausstellung ist nicht nur im Internet kostenlos – wir werden dafür auch später keinen Eintritt verlangen!“

Für die Zeit nach dem Teil-Lockdown ist ein Veranstaltungsprogramm geplant, das analog und mit Sicherheitsabstand mitten in der Ausstellung stattfinden soll. Das Hygienekonzept wird so Teil der Raumgestaltung. Bei Abendveranstaltungen kommen Akteure/-innen der Pandemie miteinander und den Gästen ins Gespräch. Podcasts dieser Events und andere virtuelle Angebote werden dann die Ausstellung kontinuierlich erweitern.