Seiteninhalt

Leonhart Fuchs und Johannes Vischer - Die Wemdinger und ein 500. Geburtstag
von Gerd Treffer

Historische Blätter Ingolstadt - Jahrgang 14 - Ausgabe Nr. 144 vom 15.06.2024

Die erste Frage lautet: Kennen Sie Leonhart Fuchs, den berühmten Mediziner und Botaniker, nach dem sogar die Fuchsie benannt wurde?

Der kam 1501 in Wemding zur Welt, einer schwäbischen Stadt am Rande des Ries (im heutigen Landkreis Donau-Ries). Sein Geburtshaus, wegen seiner nur eineinhalb Meter Breite auch das Zwergenhäuschen genannt, steht heute noch am Marktplatz. Sein Vater war Wemdinger Ratsherr. Wemding war unter den baierischen Herzögen eine blühende Handels- und Handwerkerstadt. Es hatte auch näheren Bezug zu Ingolstadt. Als Herzog Georg der Reiche das Georgianum stiftete, räumte er Wemding 1494 das Präsentationsrecht auf die neunte der elf Freistellen ein.

Leonharts Vater starb bereits 1506. Dennoch sorgte die Familie für eine solide Ausbildung mit Schulbesuch in Heilbronn und Studium zum Baccalaureus in Erfurt. 1516 kommt der junge Mann zum Studium der artes nach Ingolstadt, bringt es 1521 zum Magister und findet Zugang zum Gremium der Lesenden Magister, studiert parallel selbst weiter Medizin und erlangt darin 1524 den Doktorgrad. Dann beginnt im Verhältnis von Fuchs und Ingolstadt eine An- und Ausbeziehung, deren Hintergrund sein Bekenntnis zur protestantischen Reformbewegung ist, das an einer Universität, an der ein Johannes Eck lehrt, nicht unbedingt karrierefördernd ist. Fuchs verlässt daher unverzüglich nach seiner Promotion die Stadt. Er praktiziert als Arzt in München, heiratet dort eine Bürgerstochter. 1526 kehrt er auf den Lehrstuhl seines verstorbenen Doktorvaters , Professor Peter Burckhard, zurück. Am konfessionellen Klima in der Stadt hat sich nichts geändert Als streitbarer Lutheraner bleibt Fuchs gesellschaftlich isoliert.

So folgt er 1528 einem Angebot des Markgrafen Georg von Brandenburg, als sein Leibarzt nach Ansbach zu übersiedeln. Fuchs nimmt es an, wohl auch darauf vertrauend, dass die in Ansbach in Aussicht genommene Universität zu Stande kommen wird. Das ist bekanntlich nicht der Fall und sein Leibarztgehalt von 50 Gulden ist erbärmlich. So akzeptiert er 1533 einen von Kanzler Leonhard Eck erwirkten Ruf nach Ingolstadt zurückzukehren. Die Lage dort ist aber für den „nicht zum Opportunismus neigenden Protestanten“ (Fritz Krafft; Biographisches Lexikon der Ludwig-Maximilians-Universität München, Berlin, 1998) unverändert; erneut unverzüglich reist Fuchs nach Ansbach zurück. Dennoch: „Die Universität Ingolstadt, der Fuchs als Veste der antireformatorischen Politik den Rücken kehrte, hatte ihn andererseits als Hochburg des ‚modernen‘ Humanismus auch in der Medizin geprägt und war von ihm, der später einer der bedeutendsten Mediziner in Deutschland werden sollte, geprägt worden.“

Fuchs wissenschaftliches Werk ist phänomenal, sein Ansehen in der Fachwelt beachtlich (und die Rezeption seines Wirkens durch nachfolgenden Generationen voll Bewunderung). Krafft würdigt ihn im genannten Biographischen Lexikon der Universität München, das die gesamte Professorenschaft von 1472 bis zur Verlegung der Universität nach München 1826 darstellt, mit einem der wohl umfangreichsten Personenportraits und einer ausführlichen Darstellung und Systematisierung seines wissenschaftlichen Wirkens, insbesondere seiner botanischen Arbeit.
1534 beruft Herzog Ulrich von Württemberg – auf Empfehlung Melanchtons - Fuchs an die protestantische und humanistisch zu reformierende Universität Tübingen. Fuchs wird dort siebenmal Rektor und trägt wesentlich zur Modernisierung der Universität bei.
Er starb 1566 in Tübingen
Der französische Pater Charles Plumier nennt den 1695 von ihm in Santo Domingo entdeckten Blütenstrauch (Fuchsia magellania LMA) „Fuchsie“.

Aber um Leonhart Fuchs geht es hier nicht vorrangig. Vielmehr um einen anderen Ingolstädter Professoren, der 2024 500. Geburtstag hat und ein direkter Verwandter von Fuchs ist.
Die zweite Frage lautet mithin: Kennen Sie Johannes Vischer aus Wemding?

Der ist 1524 ebenfalls dort geboren worden. Seine Mutter hat 1502 den Georg Vischer geheiratet, der Bürgermeister von Wemding wurde. Ihr Mädchenname ist Fuchs. Sie ist die Schwester des 1506 verstorbenen Ratsherrn Johannes, des Vaters des oben beschriebenen Mediziners und Botanikers. Anders ausgedrückt: Johannes Vischer ist ein Vetter von Leonhart Fuchs.
Zur Schule war er in Wemding und Nürnberg gegangen und hatte 1537 in Tübingen (wo Leonhard 1535 sein neues Lehramt angetreten hatte) seine Studien aufgenommen. Zwei Jahre später war er Baccalaureus geworden, dann zum Studium von Philosophie und Theologie nach Straßburg und 1542 nach Wittenberg gegangen. Bei einer Studienreise – Straßburg, Paris – hatte er sich speziell dem Griechischen und dem Hebräischen gewidmet. 1548 nach Wittenberg zurückgekommen, erwarb er den Magistergrad und begann das Studium der Medizin. 1549 in Tübingen erneut immatrikuliert, hielt er sich in den folgenden Jahren in Venedig und Padua auf und wurde 1553 in Bologna Doktor der Medizin. Danach war er kurzzeitig Stadtarzt in Nürnberg, eine häufig genutzte Berufsetappe für fertige Ärzte in Erwartung eines Rufes an eine Universität. Den erhielt er 1554 – nach Ingolstadt. Es verwundert, dass er ihn annahm, so als hätte er von seinem Verwandten nie erzählt bekommen, welches religiöse Klima an dieser Universität, in diesem Lande herrschte. Wie sein Vetter war er kaum einen Wimpernschlag lang lehrend tätig. Als Protestant konnte er dem Lehrkörper nicht angehören, und überhaupt waren Lutherische hier allenfalls geduldete Mitbewohner. Ab 1555 arbeitet Vischer sieben Jahre lang als Stadtarzt in Nördlingen. Dann lässt er sich von Georg Friedrich von Brandenburg nach Ansbach als Leibarzt verpflichten.(Vetter Leonhart hatte dieses Ansbacher Amt 1528 erstmals übernommen).

Leonhart stirb 1566. Vischer übernimmt seinen Tübinger Lehrstuhl. Er wirkt fast zwei Jahrzehnte in Tübingen, bevorzugt befasst mit anatomischen und physiologischen Forschungen, ist zweimal Dekan der medizinischen Fakultät (1566 und 1586) und dreimal Rektor der Universität (1573, 1578 und 1582). Er stirbt 1587 in Tübingen.