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Es waren in Mexiko… Jesuiten mit Ingolstadt-Bezug in der Missionsprovinz Mexiko
von Gerd Treffer

Historische Blätter Ingolstadt - Jahrgang 14 - Ausgabe Nr. 141 vom 01.05.2024

Eine ganze Reihe von Jesuiten, um die 300 Personen zwischen 1680 und 1760, fand den Weg in die Mission im heutigen Amerika, in die Ordensprovinz Mexiko. Bernd Hausberger hat ihnen eine umfangreiche, sorgfältig dokumentierte Bio-Bibliografie gewidmet: „Jesuiten aus Mitteleuropa im kolonialen Mexiko“ (München, 1995). Ein gutes halbes Dutzend davon hat einen Ingolstädter Hintergrund in die Neue Welt mitgenommen – meist als ehemals Studierende an der berühmten Bayerischen Landesuniversität Ingolstadt, die zwar nie eine reine Jesuitenuniversität war, an der aber herausragende Jesuiten unterrichteten und an der viele Nachwuchskräfte des Ordens ihre wissenschaftlich begründete und umfassende Ausbildung erfuhren. Um der historischen Ingolstadt-Forschung, die sich der Beziehung der Stadt mit dem alten Mexiko (etwa vor dem Hintergrund der heute aktuellen Wirtschaftsbeziehungen des größten Ingolstädter Arbeitgebers, der weltweit, eben auch in Mexiko mit einem eigenen Werk tätigen Audi AG) widmen möchte, Hinweise zu geben, soll hier die Mexiko-Beziehungen von Missionaren mit Ingolstädter Hintergrund personal aufgeschlüsselt werden.
Es wirkten demnach in der Jesuitenmission der mexikanischen Ordensprovinz, nach dem Alphabet geordnet, die folgenden Personen:

Theophilus Aschenbrenner (am 7. November 1702 in Traunstein geboren, am 5. Januar 1738 in Cihuahua gestorben) begann am 28. September 1724 in Ingolstadt, in der Oberdeutschen Ordensprovinz sein Noviziat. Am 22. November 1735 schiffte ersich mit anderen Jesuiten nach Mexiko ein, landete am 18. Februar 1736 in Vera Cruz und kam 1737 in die Sierra Tepehuana, in die Mission von San Pablo. Dort starb er schon Angang des folgenden Jahres.

Anton Maria Bentz war am 15. März 1716 in Dillingen (dem Ort einer berühmten Jesuitenniederlassung) zur Welt gekommen, begann 1732 sein Noviziat in Landsberg am Lech, studierte bis 1747 in Neuburg und Ingolstadt, wurde 1746 zum Priester geweiht. Nachdem er zuvor schon nach seinen eigenen Studien in den Ordenskollegien Landsberg, Konstanz, Luzern, Freiburg gelehrt hatte (es war üblich, dass junge Magister zwischen diesen deutschsprachigen Ordenshäusern hin und her wanderten), unterrichtete Bentz, schon in Erwartung seiner Entsendung in die Mission, am Kolleg in Feldkirch. Von dort aus machte er sich auf den Weg über Genua nach Cadiz. Am 15. Juni 1750 segelte er mit anderen Jesuiten ab und betrat am 25. Januar des Folgejahres in Vera Cruz amerikanischen Boden. „Dort musste er sich gleich nach seiner Ankunft eine Stunde lang vom ehemaligen Provinzial Pater Johann Balthasar über die Heimat ausfragen lassen, da er während seines Aufenthalts in Luzern dessen Familie kennengelernt hatte.“ (Hausberger, S. 123). Am 17. November brach er mit einer kleinen Gruppe in den „mexikanischen Norden auf, geführt vom erfahrenen Missionar Lorenzo José, über Guadalajara und Sinola nach Sonora, wo Bentz nach fünf Monaten, in denen er fast ständig krank war, anlangte. 1751/1752 arbeitete er in Cumuripa, dann bis April 1755 in Onovas und Tonichie, einer Station, die er von seinem Vorgänger Pater Martin Vallarta schwer verschuldet übernahm. Es war, schrieb er „diese Mission vor etlichen Jahren eine der besten dieser Länder, heutzutage hat sie mehr Schulten als der Pudel Flöhe“. Später betreute er die Station Caboraca, wo (1751) Vater Tello von Pimas ermordet worden war.

Benno Ducrue wird am 10. Juni 1721 in München geboren, und er stirbt auch dort am 30. März 1779, für einen jesuitischen Missionar zumindest ungewöhnlich. In der Tat hat der Sohn eines Münchner Kaufmanns einen untypischen Entwicklungsweg. 1738 trat er dem Jesuitenorden bei und studierte nach dem Noviziat in Landsberg in Ingolstadt Philosophie und Theologie. Am 23. Januar 1749 verließ er Ingolstadt, erreichte im Mai Cadiz und fuhr, 1750, nach Mexiko, war in Mexiko-Stadt und Puebla tätig, kam dann zu den Tepehuanes in der Sierra de Piastla, wo er die Mission von San Ignacio übernahm, die 1753 der Säkularisation wegen an den Bischof von Durango zu übergeben war. Ducrue wurde nach Kalifornien versetzt, half in San José Comondu, leitete vielleicht die Mission La Purisima, ging aber bald nach Guadalupe, wo er 1756 das vierte Gelübde ablegte. Er war Visitador des Ordens für ganz Kalifornien, ein Amt, das er zum Zeitpunkt seiner Ausweisung innehatte. Nach der Deportation aus Amerika kehrte er nach München zurück.

Der (Laienbruder) Philipp Kern kam am 13. Mai 1704 im schwäbischen Glatt zur Welt, trat am 9. Oktober 1732 dem Orden bei. Hausberger notiert, er habe von Anfang an unter den strengen Ordensregeln gelitten, sich zur Mission in der Hoffnung gemeldet, in fremder Umgebung besser damit zurecht zu kommen. Im April 1735 verließ er Ingolstadt, war ab 1736 in Puebla und Anfang 1743 in Zacatecas. Seine Lage schien ihm unerträglich geworden zu sein und er bat um Entlassung aus dem Orden, ein Wunsch, dem der Provinzial nachkam. Nach Europa wollte Kern nicht zurückkehren, wohl aus Angst, man würde ihn wegen seines Ausscheidens aus dem Orden irgendwelcher Machenschaften verdächtigen. Im Herbst 1750 begegnete er in Puebla seinem früheren Mitnovizen Anton Bentz, der berichtet, Kern sei mit einer Einheimischen (mit spanischen Eltern) verheiratet und es ging ihm ziemlich wohl. Die letzte Kunde, die über Philipp Kern bekannt wurde.

Als der Berühmteste unter den Mexiko-Missionaren wird Eusebius Franziskus Kino bezeichnet, der am 10. August 1645 im Trentino, in Segno, geboren wurde. Sein Tätigkeitsgebiet im kolonialen Mexiko fiel (zum Teil) in die Region, die vom heutigen US-Bundesstaat Arizona umfasst wird, Indianerland, so dass die amerikanische Geschichtsschreibung aus ihm später eine „heroische Pioniergestalt machte, deren Monumente öffentliche Plätze schmückt und den Staat Arizona in der Ruhmeshalle in Washington vertritt“. Hausberger spricht von einem „teilweise dümmlich wirkenden Kult um Pater Kino“, wobei anzumerken bleibt, dass dieser für die Dümmlichkeit nichts kann.
Seine Beziehung zu Ingolstadt liegt darin, dass er nach seinem Beitritt zum Jesuitenorden 1665 außer in Hall an der Bayerischen Landesuniversität studierte. 1681 segelte er mit einem weiteren Tiroler Jesuiten nach Amerika. Beide wollten, heißt es, auf die Philippinen, sie losten, wer dieses Glück hätte, Kino verlor und wurde der mexikanischen Mission zugeteilt. 1683-1685 begleitete Kino die Expedition des Isidro Antondo y Antillon nach Niederkalifornien. Dessen Missionierung wurde Kino in der Folge zu seinem eigenen Hauptanliegen. In Kalifornien legte er 1684 sein viertes Gelübde ab. Nach dem Scheitern der Antondo-Expedition ging Kino in die Primeria Alta, wo er ab 1687 „in unermüdlicher Tätigkeit eine Reihe von Missionen gründete und von 1694-1696 als erster Rektor eines neuen Missionsrektorates“ (Hausberger) wirkte.

Berühmt wurde Kino durch seine „Erkundungszüge“ an den Rio Gila und ins Mündungsgebiet des Rio Colorado. Kino war überzeugt, Kalifornien sei nicht, wie vermutet, eine Insel, sondern eine Halbinsel. Seine nach Europa geschickten Karten verhalfen der Kartographie Kaliforniens als Halbinsel zum Durchbruch. „Das Vorhandensein einer Landverbindung zwischen Sonora und Kalifornien eröffnete in seinen Augen der jesuitischen Mission ganz neue Möglichkeiten der Expansion nach Norden.“ Die wollte Kino vorbereiten; seine ehrgeizigen Pläne wurden nicht verwirklicht. Er starb am 15. März 1711 in Sonora. Nach seinem Tod wurde dann auch die spanische Kontrolle über die Primeria Alta wieder schwächer, und erst in den 1740er Jahren griff der Schweizer Johann Anton Balthasar Kinos Pläne wieder auf.

Josef Kropf(f) kam am 27. März 1700 in Tirschenreuth zur Welt, trat 1719 der Oberdeutschen Ordensprovinz der Jesuiten bei. Von Ingolstadt aus richtete er einen Brief an den Jesuiten-General Michelangelo Tamburini (Ingolstadt, 21. Dezember 1727). Er reiste 1730/1732 über Mexiko auf die Philippinen.

Jakob Sedlmayr aus Inhausen in Bayern (am 6. Januar 1703 geboren), ab 1722 Novize der Jesuiten, studierte in Ingolstadt und ging 1735/1736 nach Mexiko und zwar in die Primeria Alta, nach Tubutana, wo er bis zur Revolution 1751/1752 arbeitete und zeitweilig zusätzlich Caborca betreute. Ab 1743 trat Sedlmayr in die Fußstapfen von Kino und nahm an mehreren Expeditionen teil, die ihn zu den Völkern am Rio Gila und am Rio Colorado führten, wobei er (heute verschollene) Karten zeichnete. Sedlmayr, geographisch vorgebildet, interessierte sich für die Unternehmungen des Pater Konsag in Kalifornien und „träumte von einer Landverbindung von Amerika nach Japan und Asien, die die Bekehrung dieser Länder und Gebiete ermöglichen sollte“ (Hausberger), wobei die japanischen und chinesischen Jesuiten, also die fine fleur der Jesuitenmission, solcher Hilfe weniger bedurft hätten als umgekehrt. Näherliegendes Ziel war der Vorstoß zu den Hopis (im Westen von Neu-Mexiko). 1745 regte Sedlmayr in Mexiko-Stadt (persönlich) vor den vizeköniglichen Behörden an, eine Ausdehnung der Missionsarbeit nach Norden vorzunehmen. 1747 zog er von Tubutama aus an die Küste des Golfs von Kalifornien. Er führte 210 freie Indianer zusammen, siedelte sie in Ati an und legte so den Grund für eine neue Mission in der Hoffnung, den Hopis das Christentum zu bringen, eine Hoffnung, die allerdings an der militärischen Situation an dieser Grenze zerbrach. 1751 bis 1752 war Sedlmayr Visitador der eine kurze Zeit von Sonora abgetrennten Provinz Primeria Alta, die gerade damals im Winter von einem blutigen Indianeraufstand erschüttert wurde.

Sedlmayr hatte zusammen mit Vater Neutuig und einigen Spaniern stundenlangen Angriffen der Indianer standgehalten und war von drei Pfeilen getroffen worden, ehe sich die Padres und ein Dutzend weiterer Personen durch eine nächtliche Flucht retten konnten – in den Trümmern seines Hauses verbrannten ein Wörterbuch und eine Grammatik der Sprache der Pimas, die er in zehnjähriger Arbeit verfasst hatte.

Bis 1756 arbeitete Sedlmayr dann in Guázabas (ab 1753 war er dort Direktor), 1756 bis 1763 in Tecoripa und Suaqui, von 1763 bis 1767 in Matapé. Nach der Ausweisung aus Amerika wurde er in Puerta de Santa Maria und ab (1775) im Konvent der Franziskaner in Aldea de Avila festgehalten. Dort, in Spanien, starb er, in Gefangenschaft, am 29. Februar 1799.

Gerüchte und ein Dokument aus der Zeit der Ausweisung aus Amerika dichteten ihm schon für den April 1766 den Tod in Sonora an. Auch im Norden kursierte damals die Nachricht von seinem Tod, die von Chihuahua über Pater Steb nach Sonora zu Pater Watzek gelangt war, der ihr aber keinen Glauben schenken mochte. Im September 1766 war Sedlmayr tatsächlich krank gewesen, und er und seine Mission wurden von dem benachbarten Ures aus von Pater Andreas Michel betreut.

Auch dies ein abenteuerreiches Leben, mit Fort-Alamo-Szenen, ehe diese in San Antonio (heute Texas) passierten und zu Legenden der US-Geschichte wurden.

Nicht anders ist es mit Philipp Segesser, einem Sprössling einer angesehenen, politisch bedeutenden Familie des Schweizer Beamtenadels, was ihm in Übersee Aufgaben bescherte, die man keinem ehedem Schweizer Hüterbuben übertragen hätte – so wurde er etwa als Nachlasswalter des 1758 von den Seris getöteten Gobernador Juan de Mendoza bestellt. Er war als das dritte von 17 Kindern des Luzerner Ratsherren und Landvogts Heinrich Ludwig Segesser 1689 zur Welt gekommen – in einer Zeit, als die Jesuitenmission in China Anlauf zu ihrer Blüte nahm.

1700 hatte der Münchner und in Ingolstadt ausgebildete Kaspar Castner vom Ordensgeneral den Auftrag erhalten, über dem früheren Grab des Heiligen Franz Xaver, des Großen Apostels des Osten, dem Inbild des Missionars schlechthin, dem Mann, der zu den Gründergenossen des Jesuitenordens mit Ignatius von Loyola zählt, eine Kirche zu errichten. Schon als Zehnjähriger (mithin zur Jahrhundertwende vom 17. zum 18. Jahrhundert) „wollte er – schreibt Hausberger über Segesser – nach dem Vorbild des Heiligen Franz Xaver als Missionar in Indien arbeiten“. So trat er denn 1708 in Landsberg den Jesuiten bei und studierte 1719 bis 1722 in Ingolstadt, wo er am 8. Juni 1721 zum Priester geweiht wurde.
Kein Zweifel, dass ihm in dieser Zeit Pater Castners Rolle am Pekinger Kaiserhof eindrücklich vor Augen stand, der damals schon Direktor der Kaiserlichen Sternwarte in der Hauptstadt des Sohnes des Himmels war, der 1702 nach Europa zurückgereist war, um als Botschafter des chinesischen Kaisers in Rom die von den Jesuiten so genial erfundene Missionsmethode der Akkulturation, die Begegnung zweier Hochkulturen auf Augenhöhe und in gegenseitigem Respekt, zu erläutern, zu verteidigen. Dabei war Castner auch an den Ort seiner früheren Studien, Ingolstadt, zurückgekehrt, das wohl intellektuell einflussreichste Jesuitenzentrum „Deutschlands“ am Ort der Ersten Bayerischen Landesuniversität. Dort hatte Segessers Ordenskollege Ferdinand Orban ein an allen Universitäten Europa bekanntes „Kuriositäten-Kabinett“ (die Urform unserer heutigen Museen) aufgebaut: Die Orbansche Sammlung: Anschauungsmaterial für wissbegierige Wissenschaftler und Studenten, ein Lehrkabinett einerseits, ein Ausweis andererseits, was Ingolstadt der akademischen Welt zur Zeit zu zeigen vermochte. Und dafür hatte Kaspar Castner seinem Mitjesuiten Ferdinand Orban einiges vermacht: auch seinen in China mühsam in Holz geschnittenen Bericht in lateinischer Sprache, die Relatio Sepulturae – die Schilderung über den Bau der Kirche am Sterbeort des Heiligen Franz Xaver. Letztlich ist nicht beweisbar, dass Segesser dieses so seltene, in China, in Latein gedruckte Buch gekannt hat, aber über die Orbansammlung gelangte genau dieses Exemplar, in die Universitätsbibliothek München, was aber nicht Gegenstand dieses Berichtes ist.
1729 (erst) ging Segesser nach Mexiko, wo er 1730 eintraf, 1731 nach Sonora reiste und dann bis 1734 in der Primeria Alta wirkte, zunächst in San Ignacio, dann in der äußersten Grenzmission San Javier de Bac (nahe dem heutigen Tuscon). Aus gesundheitlichen Gründen wurde er in den Süden abgezogen, betreute 1734 bis 1744 Tecoripa und anschließend bis zu seinem Tod 1762 Ures. Vier Mal (1739/1740, 1748/1749, 1754/1755 und 1760) war er Rektor seines (jeweiligen) Missionsgebietes und dazwischen 1750 bis 1754, Visitador Sonoras. In Tecoripa hatte er 1737 mit einer messianischen Bewegung unter den Pimas Bajos zu tun: ein Indio, Augustin Ascuhul, erklärte sich zum Abgesandten des Gottes Montezuma und errichtete an der Küste zum Golf von Kalifornien einen Altar. Überdies kündigte er das Ende der spanischen Herrschaft an. Mit einem Freund, dem aus Baskenland stammenden Capitan Juan Bautista de Anza, wurden die aus allen Richtungen herbeiströmenden Indianer zerstreut. Der aufrührerische Ascuhul (der auch als Ariscibi bekannt war), wurde erschossen und unter einer Palme aufgeknüpft, Segesser verbrannte öffentlich die errichtete Kultstätte. Insoweit entspricht Pater Philipp Segesser eigentlich nicht der Tradition und dem Ansehen, das sich sein und andere Orden als Beschützer der Indios gegenüber den Konquistadoren erwarben – was nicht gelten durfte für heidnische Kulte und Aufwiegler gegen die Katholische Majestät. Da war wohl ein Schweizer Landvogts-Sohn eine geeignete spirituelle Hilfe für die Herrn des spanischen-mexikanischen Kolonialreiches. Da hatten die Ordensbrüder in China eine viel subtilere, empathisch-geprägte Herangehensweise an fremde Einstellungen und Kulturen zur Leitlinie erhoben. Castner hätte wohl leise-tadelnd den Kopf geschüttelt und bei sich geraunt, es gebe doch andere Herangehensweisen des Verstehens für fremde Kulturen, des Erörterns und des Diskutierens, des nachdenklichen Erwägens, letztlich des Überzeugens. Aber Castner war ein Münchner Kind und nicht ein Abkömmling eines Schweizer Landvogts. Zu Segessers (transatlantischen) Freunden zählte neben Juan Bautista de Anza, dem Capitan, (man beachte, dass Capitan nicht einen seetüchtigen Atlantikbezwinger beschreibt, sondern einen Söldner, der sich, seine Leute, seine Pferde, per Schiff hatte übersetzen lassen) auch der (recht komplizierte) Gobernador Augustin de Vildosola, auch er ein Baske. Mit den Missionaren der Provinz im Dauerstreit, hatte er eine regelrechte Wut auf diese Gattung von Christenmenschen entwickelt, die er bei Segesser abladen und abarbeiten konnte, der ihn doch verstehen musste. Als der Gouverneur (1748) abgesetzt und des Landes verwiesen wurde, lieh ihm Segesser für das erste Stück des Weges seine Kalesche, damit der Herr Gobernador ausser Dienst bequemer reisen möge, eine Geste der Noblesse. Eine „spezielle Art von Humor“ attestiert Hausberger dem Segesser, da er (1756) „auf eben aus Mexiko-Stadt kommende und noch völlig unerfahrene Missionare einen fingierten Überfall seiner Indianer inszenierte und sich über den Schreck der Neulinge amüsierte“.

Zu einer gewissen Bekanntheit brachten es Segessers an seinen Bruder in Luzern über seine baskischen Freunde übermittelte Kuriositäten, wie er sie wohl einst in Ferdinand Orbans Ingolstädter Kuriositätenkabinett kennengelernt hatte, darunter bemalte Büffelhäute aus Neu-Mexiko (die erst jüngst, so Hausberger, von der nachgewachsenen Segesser-Familie an ein Museum in Santa Fe verkauft wurden und so in die Heimat zurückkehrten).

Eine besondere Stellung unter den Mexiko-Missionaren nimmt Walter Ignaz Sonnenberg ein (,am 13. Juli 1612 in Luzern geboren). Er war wohl der erste Jesuitenmissionar aus Westeuropa, der ein dokumentarisch belegtes Zeugnis seines Aufenthalts in Mexiko hinterlassen hat (sieht man einmal von Anton Welser und seinem potentiell möglichen Kurzabstecher nach Amerika ab). Sonnenberg trat 1628 in die Gesellschaft Jesu ein und wurde von General Vittelesci für die Mission der Philippinen bestimmt, wo er 1643 ankam und auf dem Weg Mexiko berührte. 1678 ging er, wie es sein Wunsch seit jeher gewesen war, nach China, wo er in Fu-Chu, in der Provinz Fukien am 20. Juli 1680 starb.

Der Mann, der ihm (vielleicht, aber ungesichert) in Mexiko zuvorkam, war Anton (III.) Welser (1564 in Augsburg geboren), aus dem wohlhabenden und mächtigen Handelshaus, dem Kaiser Karl V. (der Erste, in dessen Reich die Sonne nie unterging) Venezuela zur Ausbeute übergeben hatte. Antons Vater war Bankier, Handelsherr, Bürgermeister von Augsburg, Kaiserlicher Rat. Standesgemäß studierte der Sohn in Padua die Rechte, entschloss sich dann – entgegen dem väterlichen Begehr – zum Eintritt in den Jesuitenorden. Er amtierte (ab 1609) als Rektor in Ingolstadt, war Provinzial der Oberdeutschen Ordensprovinz, maßgeblicher Jesuit der Gegenreformation in Neuburg an der Donau.

Welser war zuvor noch Beichtvater der (spanischen) Königin Margarita von Habsburg, Gemahlin König Philipps III., gewesen. Von ihm ist ein Teil eines Briefes aus Mexiko von 1611 bekannt, der die Feierlichkeiten dort anlässlich der Heiligsprechung des Ordensgründers Ignatius von Loyola und (zeitgleich) des Großen Missionars des Osten Franz Xaver (dessen Grabkirche Kaspar Castner errichtet hatte) beschreibt. Außer Zweifel steht, dass Welser sich am spanischen Hof aufhielt. Es mag sein, dass der Spross des Handelshauses Welser ein Interesse hatte, sich den Kontinent, von dem Kaiser Karl V. einen Teil seiner Familie zur Verfügung gestellt hatte und über dessen Besitz dort lange prozessiert wurde, ansehen und Perspektiven erkunden wollte, wie man weiter verfahren möge. Hausberger räumt die Möglichkeit ein, dass Welser (der am 30. November 1640 zu Neuburg an der Donau starb) seine spanische Zeit „zu einem Kurzbesuch in Mexiko nutzte“, was für die damalige Zeit ein abenteuerliches Unterfangen dargestellt hätte, (möglicherweise aber auch die Beschreibung der Jubelfeier zur Heiligsprechung von Ignatius und Franz Xaver nur in Spanien in die Hände bekam und nach Deutschland weiter verbreitet hatte).

Ein besonderer Platz gebührt Franz Xaver Weiss. Er war ein Ingolstädter. Am 22. Februar 1710 dort geboren, 1728 den Jesuiten beigetreten, hatte er in Landsberg, Ingolstadt, Dillingen studiert, war 1740 (von München aus) nach Spanien gezogen, wo er drei lange Jahre auf eine Überfahrt nach Amerika warten musste. Er nutzte die Zeit zum Studium. Unterwegs wurde sein Schiff dann noch von den Engländern gekapert und er wurde nach Jamaika verschleppt. 1748 ist er nachweislich in der Mission von Baborigam in der Sierra Tepuhana tätig, wo er 1745 Rektor wird. (Um) 1765 hatte er einen heftigen Konflikt mit dem Alcalde Mayor von Sinola, dem er, heißt es, nicht genügend Indianer aus seinem Dorf als Arbeitskräfte abstellen wollte. Man beschuldigt ihn – im Gegenzug – persönlicher Interessen im Bergbau und eines Verhältnisses mit gleich zwei indianischen Köchinnen. 1767 wurde er nach Europa deportiert. Ab 1770 befand er sich in Öttingen und 1773 wieder in Ingolstadt. (Er starb 1795 in Landsberg).

Eine Vertiefung in Form einer „Kurzen Geschichte der Jesuitenmissionare in Mexiko mit Ingolstadt-Bezug“ wartet noch, mit all ihren kantigen Protagonisten, ihren kuriosen und filmreifen Geschichten, auf Erforschung und Abfassung.