- Der Orbansaal des ehemaligen Ingolstädter Jesuitenkollegs war als Museumsbau zur Aufnahme der umfangreichen Sammlung Pater Ferdinand Orbans im Jahr 1725 errichtet worden.
Für die Ecken sah man an der Decke vier bassgeigenförmige Bilder mit den Porträts von vier um die Astronomie besonders verdienten Jesuiten vor, nämlich Christoph Scheiner und Johann Baptist Cysat, und gegenüber Christoph Clavius und Athanasius Kircher.
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Christoph Scheiner, ca. 1724
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- Christoph Scheiner (geb. 25. Juli 1573 in Wald bei Mindelheim, gest. am 16. Juli 1650 in Neiße) ist der wohl berühmteste unter den einst in Ingolstadt wirkenden Astronomen. Er war von 1610 bis 1616 Professor der Mathematik an der Universität in Ingolstadt, an der er bereits studiert hatte. Seine wissenschaftlichen Arbeiten über Fragen der Astronomie und Optik, u.a. über die Sonnenflecken und das menschliche Auge, genossen höchstes Ansehen. Scheiner hatte assistiert von Johann Baptist Cysat, im März 1611 vom Turm der Kreuzkirche aus die Sonnenflecken beobachtet und seine Beobachtungen in drei Briefen vom 12. November, 19. und 26. Dezember an Marcus Welser in Augsburg beschrieben, der diese am 5. Januar 1612 im Druck herausgab und an Galilei und Kepler schickte. Es kam zum Prioritätsstreit zwischen Scheiner und Galilei, der die Entdeckung der Sonnenflecken (August 1610) für sich in Anspruch nahm, ohne dass wohl beide die bereits im Juni 1611 in Wittenberg erschienene Schrift von Johannes Fabricius "De maculis in sole observatis et apparente earum cum sole conversione narratio" kannten. Scheiner sind viele astronomische Beobachtungen und Nachweise zu verdanken wie die Berechnung der Rotationszeit der Sonne und der Neigung der Sonnenrotationsachse gegen die Ekliptik. Er baute selbst ein astronomisches Fernrohr, schliff eigenhändig Linsen für seine Fernrohre, erfand 1603 den Pantographen (Storchenschnabel) und entwickelte astronomische Geräte wie Helioskop und Heliotrop. Sein Hauptwerk über die Sonnenflecken erschien 1630:"Rosa Ursina sive sole ex admirando facularum suarum phaenomeno varius nec non circa centrum suum et axum fixum ab ortu in occasum conversione quasi menstrua super polos proprios mobilis "(Bracciano).
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Athanasius Kircher
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- Athanasius Kircher wurde am 2. Mai 1602 in Geisa (Rhön) geboren und starb am 27. November 1680 in Rom. Den ersten Unterricht erhielt er von seinem Vater Johann, Lehrer der Theologie im Kloster Seligenstadt, bevor er 10jährig in die Jesuitenschule in Fulda eintrat. Dort erlernte er u .a. die griechische und hebräische Sprache. Im Jahr 1618 trat er in Paderborn in den Jesuitenorden ein. Seine weitere wissenschaftliche Laufbahn führte ihn über Köln und Koblenz nach Mainz, an dessen Kolleg er als Professor der griechischen Sprache tätig war. 1629 ging er als Professor in Ethik, der mathematischen Wissenschaften und der hebräischen und syrischen Sprache nach Würzburg. Nach weiteren Stationen in Avignon und Wien wurde er als Professor der Mathematik, Physik und orientalischen Sprachen an das Collegium Romanum berufen, wo er nach 8jähriger Tätigkeit von seinen Lehrverpflichtungen entbunden wurde, um sich ganz seinen Forschungen, Sammlungen und literarischen Werken widmen zu können.
Die zahlreichen, im Gemälde mit Titeln in Erinnerung gebrachten Bücher und deren Verfasser als Naturwissenschaftler, Musiktheoretiker, Astronomen und Museumsgründer weisen auf Kircher als Universalgelehrten hin. Die Aufschrift "MUSEUM" auf einem der Buchrücken schafft einen Bezug seiner Sammlung "Kircherinanum" genannt, zum Museum Pater Orbans in Ingolstadt, was für die Aufnahme dieses Jesuitengelehrten in der Reihe der vier Deckenbilder der Deckenbilder im Orbansaal auch mit ausschlaggebend gewesen sein dürfte.
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Johann Baptist Cysat, ca. 1724
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- Johann Baptist Cysat (geb. am 1587 in Luzern, gest. am 3.3.1657 ebendort) hatte in Ingolstadt bei Christoph Scheiner studiert und war selbst von 1618-1622 Professor der Mathematik an der Universität. Er hatte Scheiner bei der Beobachtung der Sonnenflecken assistiert und war dessen Mitarbeiter. Er beschrieb erstmals den Orionnebel, den Neuen Stern von 1604 und gab seiner Monographie über den Kometen von 1618 ("Mathematica astronomica de loco, motu, magnitudine et causis cometae", Ingolstadt 1619") eine Karte bei, die die Erde von Mond und Sonne und diese selbst von den anderen Planeten und einigen Kometen aus und den Jupiter mit vier sowie Saturn mit zwei Monden zeigt.
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Christoph Clavius
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- Christoph Clavius wurde 1537/38 in Bamberg geboren und starb am 6. Februar 1612 in Rom. Nach dem Eintritt in den Jesuitenorden studierte er in Coimbra (Portugal) und wirkte 1565 ohne Unterbrechung als Lehrer für Mathematik am Collegium seines Ordens in Rom. Auch wenn er auf dem Gemälde ein Buch mit dem Text "IN SPHAERAM JOAN[ES] DE SACROBOSCO"" in der Hand hält, scheinen seine Verdienste weniger auf dem Gebiet der Astronomie als vielmehr auf dem der Mathematik gelegen zu haben. Sein berühmtestes Werk "Euclidis Elementarum libri XV, 1574" hatte großen Einfluss und Beachtung nicht nur in Europa gefunden sondern wurde von seinem Schüler Matteo Ricci ins Chinesische übersetzt. Nicht wegen der Originalität der Erkenntnisse und Theorien, sondern wegen seiner bewunderungswürdigen Gabe, mit der er alle Erkenntnisse der Mathematik seiner Zeit erklärte und verständlich machte, erhielt er den Ehrentitel "Euklid des 16. Jahrhunderts". Clavius war auch einer der Hauptmitarbeiter an der Gregorianischen Kalenderreform (1577-82). Er wurde von Papst Gregor XIII. beauftragt, den neuen Kalender zu kommentieren und ihn gegen alle Angriffe zu verteidigen. Im Gemälde wird diese Tätigkeit unter Einbeziehung eines Porträtmedaillons dieses Papstes und unter Verwendung eines Blattes mit der Aufschrift ("CALENDARIUM GREGORIANUM") in den Vordergrund gestellt.
- Dr. Hofmann, Tafeltext im Stadtmuseum Ingolstadt
- Fotos: Kurt Scheuerer
- Siehe auch:
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