Logo Kurt Scheuerer Wissensspeicher zur Geschichte von Ingolstadt  
Texte im Stadtmuseum Ingolstadt - Raum 10
Wiederbenutzung
antiker Ruinen, Straßen und Flussübergänge,
Ausbau und Neubau von Befestigungen

 
In der kurzen Zeitspanne, während der die Obere Donau und Mittlere Altmühl in die Grenzzone des Römerreichs einbezogen waren, entstanden hier Kulturwerke und Denkmäler, die auch während des Frühen, Hohen und Späten Mittelalters prägend wurden. Ohne die Weite und Tiefe des römischen Lebensraums in geographischer und geschichtlicher Hinsicht wären dabei weder die Größe dieser römischen Schöpfungen noch das Ausmaß ihres Nachwirkens zu begreifen. Aus diesem zeitlich gestaffelten Nachwirken ergibt sich aber keine unmittelbare Kontinuität zwischen Altertum und Mittelalter in dem Gebiet.

Zunächst ist eine Weiterbenutzung der Verkehrswege zu bemerken, die aber nach den veränderten Fernzielen verlängert werden:
So benutzt die von Paris über Worms zur Donau und weiter nach Byzanz führende sog. Nibelungenstraße auf den beiden Strängen der Alb-Strecke Treuchtlingen-Nassenfels-Mehring bzw. Weißenburg-Pfünz-Pförring alte Römerstraßentrassen.
Ebenso bleiben die Donauübergänge zwischen Stätteberg/Stepperg und Eining/Irnsing in Gebrauch und werden in zeitlichem Wechsel um Überfahrten und Brücken bei Neuburg, Ingolstadt/Sonnenbruck-Oberstimm, bei Mehring/Manching und Vohburg sowie bei Pförring/Münchsmünster und Neustadt, Weltenburg und Kelheim vermehrt.

Dann sind die alten Römerbauwerke zweckmäßig Ansatzpunkte neuer Bauten.
Römerstraßen und Limes bestimmen etwa den Verlauf von Gassen und Häuserzeilen in Wolkertshofen und Kipfenberg. Die Kirche von Böhming und die alte Nikolauskirche von Pfünz werden außerhalb der Dörfer in den Ruinenfeldern von Römerkastellen erstellt, wo Baumaterial bereitliegt. Auch die Kirche von Kösching ersteht an der Stelle der Hauptgebäude eines Kastells, doch nimmt hier der neue Ort selbst mit dem Geviert von Kugelgasse (im Norden), Regengasse (im Osten) und der Gasse am Graben (im Süden und Westen) das übrige Kastellareal ein: Kontinuität der Ruinen.

Neben bloßer Ausbeutung römischer Ruinen und Gräberfelder scheinen auch magisch-religiöse Gründe zum Aufsuchen und Benutzen antiker Stätten zu führen. Dafür spricht das Anlegen frühmittelalterlicher Reihengräberfelder in Ruinenplätzen (wie Nassenfels und Pförring) ebenso wie die Vornahme volkstümlicher Weihungen in solchen Ruinen (eiserne Steckkreuz-Votive von Eining-Weinberg und Gögging).
Wahrscheinlich gehört hierher noch das Abhalten des jährlichen Barthelmarkts Oberstimm, der zwar erst spätmittelalterlich bezeugt ist, aber durch archaische Rechts- und Festbräuche wie Errichtung von Laubhütten gekennzeichnet wird und seitwärts des überbauten Kastellpodiums stattfindet.

Dagegen kommt dem erneuten Ausbau von Befestigungen an Donau und Altmühl während der Karolinger- und Ottonenzeit eine politisch-militärische Sicherung des Strom- und Fährverkehrs zu.
Hierbei stellen die mächtigen Ungarnwälle auf den alten Spornbefestigungen von Weltenburg-Frauenberg, Kelheim-Michelsberg und Kipfenberg-Michelsberg wie auch die neuangelegten Abschnittswälle des 9.-10. Jahrhunderts auf den Donauterrassen bei Irnsing und Dünzing letzte Ausprägungen eines traditionellen Lage- und Bautyps von Befestigungen dar: Sie werden zwischen dem 11.-13. Jahrhundert von den anders situierten und beschaffenen Adelsburgen und den Stadtbefestigungen des Hochmittelalters abgelöst.
Mit dieser gesellschaftlichen Wende schließt die Folge der Ur- und Frühgeschichts-Epochen an der Oberen Donau - die eigentliche Ingolstädter Geschichte setzt ein.

Dr. Rudolf Albert Maier, Tafeltext im Stadtmuseum Ingolstadt, ca. 1980


Siehe auch:

Impressum - - - Nachricht an den Gestalter der Seiten: Kurt Scheuerer
Zur Auswahl Archäologie im Stadtmuseum - - - - - Zur Auswahl Objekte im Stadtmuseum Ingolstadt
Zur Auswahl Materialsammlung Kurt Scheuerer