Ein letzter Blick in die Region Ingolstadt zeigt, daß ab der Mitte
des 6. Jahrhunderts eine Vielzahl an Einzelbeobachtungen von
Reihengräbern vorliegt (Karte 5). Für die meisten davon gilt, daß
sie nur kleine Ausschnitte von Gesamtbefunden darstellen, die noch
dazu schlecht dokumentiert sind.
Es wäre müßig, die Fundorte im einzelnen aufzulisten, da sie
durchwegs in ihrem Aussagewert äußerst beschränkt sind. Und doch
handelt es sich dabei um die einzigen Quellen, die uns zur Lösung
der vielfältigen noch offenen Fragen verhelfen können. Die
Erforschung der zugehörigen Siedlungen hat eben erst begonnen. Die
Verteilung der Reihengräber zeigt an, daß sie in großer Zahl an die
sogenannten -ing- und -heim-Orte gebunden sind. Daraus könnte
geschlossen werden, daß diese Siedlungsgründungen weitgehend dem
gesamten 6. Jahrhundert zuzuordnen sind. Die besiedelten Flächen
decken sich dabei weitgehend mit den Böden von bester Bonität. Die
Reihengräber am südlichen Rand des Donaumooses sind dagegen nicht
mehr mit -ing- und -heim-Orten assoziiert. Da sie ausnahmslos erst
dem 7. Jahrhundert zuzuweisen sind, kann für die genannte Zeitstufe
eine weitere Kolonisationsphase erschlossen werden.
Als eine der bedeutendsten Fundstellen einer frühmittelalterlichen
Siedlung in Bayern sei der Befund von Zuchering genannt, dessen
Ergebnisse im Rahmen einer Bamberger Magisterarbeit vorgestellt
werden sollen. (90) G. Diepolder hat in ihrer Kartenvorlage das
Ingolstädter Becken als die größte zusammenhängende Siedlungskammer
im bayerischen Stammesherzogtum des 6. Jahrhunderts ausgewiesen
(Karte 6). (91)
Wirtschaftlich gesehen gehörte diese traditionsreiche Region
sicherlich zu den bedeutendsten Stützen des agilolfingischen
Herzogtums. Vor allem tritt dabei die Eisenverhüttung ins
Blickfeld. Der geographische Rahmen wird durch die Rohstoffquellen
definiert. Das dadurch umgrenzte Gebiet dürfte die Donau mit ihrem
südlichen Uferstreifen von Neuburg bis Kelheim umfassen und
nördlich kurz hinter dem Albabbruch enden. Die oben bereits
genannte Siedlung von Zuchering hat eine umfangreiche
Eisenindustrie während des 7. und 8. Jahrhunderts angezeigt. (92)
Gerade auch das Altmühltal bestätigt diese Entwicklung. Ein
bedeutender Ort scheint in diesem Zusammenhang Eichstätt gewesen zu
sein, über welches im 8. Jahrhundert der Adelige Suidger verfügte.
Seine mächtige Stellung neben dem Herzog, die womöglich in der
Tradition der Genealogien gründet und die wir der vita Willibaldi
entnehmen können, dürfte auf dem genannten Industriezweig beruhen.
Obereichstätt, das im übrigen bis ins 15. Jahrhundert Herzogsgut
war und dann erst an den Eichstätter Bischof fiel, könnte eine
diesbezügliche Tradition repräsentieren, deren Ende erst im frühen
20. Jahrhundert endgültig besiegelt wurde. Dieses Thema kann hier
nicht vertieft werden und soll an anderer Stelle eine ausführliche
Würdigung erfahren.
Sammelblatt des Historischen Vereins Ingolstadt, 99. Jahrgang, 1990