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Baiuwaren
Zur Siedlungsgeschichte in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts
in der Region Ingolstadt

Karte 3
Betrachtet man die sich abzeichnende Tendenz, so geht man mit der Vermutung sicher nicht fehl, daß es in der Region über kurz oder lang zu einer weiteren kräftigen Vermehrung von Fundpunkten mit Fundmaterial der Gruppe Friedenhain kommen wird. Der bisherige Bestand an Fundpunkten ist in Karte 3 dokumentiert. Der von Fischer genannte Zeitansatz für den Beginn dieser Entwicklung scheint auch für den hier umgrenzten Raum zuzutreffen. Es bleibt die Frage nach dem Charakter der Zuwanderung der Besitzer dieser Keramik aus dem Böhmischen Kessel. Anzeichen dafür, daß diese kriegerischer Natur gewesen ist, gibt es bislang nicht.

Da sich Friedenhain-Funde zum Teil an denselben Plätzen finden, von denen auch alamannisch-juthungisches Fundmaterial vorliegt, muß aber doch eine Verdrängung der vorhandenen Bevölkerung in Betracht gezogen werden. Der dadurch bedingte »Rückzug« der älteren Bevölkerung dürfte wohl nach Westen gerichtet gewesen sein und etwa an der Linie Wellheimer Trockental-Altmühltal-Treuchtlinger Bucht-Weißenburger Becken bzw. geringfügig darüber hinaus jene Grenze erreicht haben, die in der Literatur als traditionelle »Stammes«- und Sprachgrenze beschrieben wird. Damit ist auch für die Verbreitung der Gruppe Friedenhain eine westliche Grenze grob fixiert. An dieser Stelle könnte überlegt werden, ob sich etwa das verdrängte Bevölkerungssubstrat mit dem Begriff Raetobarii in Verbindung bringen ließe.

Anhand der Verteilung der Fundstätten läßt sich ablesen, daß die Träger des Materialhorizonts Friedenhain die römische Reichsgrenze offensichtlich respektiert haben. Freie germanische Siedlungen südlich der Donau konnten bislang im gesamten in Frage kommenden Donauabschnitt nicht nachgewiesen werden. Doch die wiederholt geäußerte Vermutung, daß wehrfähige Männer Aufgaben bei der römischen Grenzsicherung übernahmen, ist aufgrund einer Reihe vorliegender Befunde plausibel und wegen überregionaler, allgemeiner Praktiken der römischen Verwaltung wohl als sicher anzusehen. Nicht zuletzt sei hier auf den Befund von Kemathen hingewiesen.

Die Geschlossenheit des Verbreitungsgebietes der Gruppe Friedenhain und die sich abzeichnende Tendenz einer flächenhaften Besiedlung lassen vermuten, daß es sich bei dieser Bevölkerung nicht etwa um nur wenige Sippen gehandelt hat. Vielmehr ist davon auszugehen, daß ein zahlenmäßig erheblicher Teil einer germanischen Bevölkerungsgruppe zugewandert ist und sich auf die hierfür geeigneten Flächen geordnet verteilt hat. Wenngleich eine quantitative Gegenüberstellung der Neusiedler zu der römischen Grenzbevölkerung spekulativ sein muß, ist doch anzunehmen, daß der germanische Anteil nördlich der Donau überwog. Eine Hochrechnung der Bevölkerungszahl noch ohne ausreichendes Datenmaterial soll hier trotz aller Unwägbarkeiten einmal in die Diskussion gebracht werden. (58) Geht man davon aus, daß sich die Dichte des Siedlungsnetzes aus dem der Befunde im Altmühltal erschließen läßt, so käme man im Gebietsanteil des nördlichen Oberbayern gering gerechnet auf eine Zahl von etwa 70 Siedlungen. Nimmt man an, daß eine Siedlung durchschnittlich drei Großfamilien à 15 Mitglieder beherbergte, so würde sich die Zahl der Siedler auf mehr als 3000 belaufen.

Nimmt man weiter an, daß im übrigen Verbreitungsgebiet der Gruppe Friedenhain noch etwa zwei Drittel dazukommen, so läge die Zahl der Gesamtbevölkerung bei knapp 10 000. Wenngleich eine Aussage zur Bevölkerungszahl in den Garnisonsorten südlich der Donau ebenso hypothetisch sein muß, so dürfte sie, hochgerechnet aus der Belegung der Kastellfriedhöfe, doch um etwa eine Zehnerstelle niedriger gewesen sein. Gerade für das 5. Jahrhundert werden die archäologischen Befunde in den Militärstationen mit einem Gefälle vom Osten zum Westen hin zunehmend geringer.

Das Ereignis der Zuwanderung wäre unter den eben genannten Gesichtspunkten für die römischen Grenztruppen so eindrucksvoll und bedeutsam gewesen, daß man sich durchaus vorstellen kann, es könnten diese Grenztruppen gewesen sein, die die Neuankömmlinge in Kenntnis ihrer Herkunft aus Böhmen (Boiohaemum) Baiovarii, böhmische Männer nannten. (59)

Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß sich an der römischen Germanenpolitik durch die Neuankömmlinge nichts geändert hat. (60) Wie seit langem praktiziert, wurden die Mannschaften überwiegend aus den Gebieten nördlich der Donau gebildet. (61) Eine größere Anzahl von Kriegergräbern mit römischen Militärgürteln im freien Germanien spricht für diese Praxis, auf die H. W. Böhme hingewiesen hat (s. Anm. 17). Das Grab von Kemathen ist nun der erste Beleg dafür, daß in unserem Grenzabschnitt die Friedenhain-Leute in diese Praxis einbezogen wurden. Der Gefahr, die sich aus dem zahlenmäßigen Bevölkerungsungleichgewicht ergeben mußte, konnte damit zunächst begegnet werden: Es entstand ein zwar labiles, aber offensichtlich funktionierendes Verhältnis.

Die Gründergeneration von Bittenbrunn

Die Frage nach der weiteren Entwicklung der Siedlungstätigkeit in der Region Ingolstadt lenkt zwangsläufig den Blick auf das Gräberfeld von Bittenbrunn. (62) Seine detaillierte Analyse ist Gegenstand der Dissertation von E. Pohl, die kurz vor ihrem Abschluß steht. Schon R. Christlein hat in seinem vorläufigen Fundbericht auf den Beginn der Belegung des Gräberfeldes um die Mitte des 5. Jahrhunderts hingewiesen, der von E. Pohl bestätigt wird. (63)

Auch andere Orte in der Region (Breitenfurt, Kipfenberg, beide Lkr. Eichstätt) (64) lassen vermuten, daß hier von einer Entwicklung gesprochen werden kann, die möglicherweise Allgemeingültigkeit haben könnte. Noch fehlen alle Hinweise auf zugehörige Siedlungsbefunde, anhand derer sich Näheres dazu aussagen ließe. Aber schon steht fest: Die Gruppe Friedenhain war an dieser Entwicklung - zumindest als Keramikhorizont - offensichtlich nicht mehr beteiligt. Wenngleich es für eine ethnisch-ereignisgeschichtliche Interpretation dieser Erscheinung noch zu früh ist, sollen mögliche Denkrichtungen nicht unerwähnt bleiben. So wäre etwa vorstellbar, daß eine erneute Zuwanderung einer Bevölkerungsgruppe erfolgte, diesmal aber sowohl aus dem Westen als auch aus dem Rhein-Main-Gebiet. (65) Diese Bewegung läßt sich donauabwärts bis Straubing verfolgen. H. Geisler sieht in der dortigen Nekropole an der Bajuwarenstraße in Alburg deutliche Parallelen zum Horizont der Gründergeneration von Bittenbrunn. (66)

R. Christlein hat darauf hingewiesen, daß man darin den ersten Ausgriff der Alamannen über ihren bisherigen Herrschaftsbereich hinaus sehen kann, ja, daß es sich dabei offenbar um das archäologische Zeugnis des in der vita Severini genannten Vorstoßes der Alamannen unter ihrem König Gibuld handeln könnte. (67) Es gibt ferner Anzeichen dafür, daß die Bewegung nicht auf den Donauraum allein beschränkt war, sondern daß auch die Wiederbesiedlung der Münchener Schotterebene, die zum selben Zeitpunkt einsetzt, hier in Betracht zu ziehen ist. Ob es sich auch dabei um die Alamannen Gibulds gehandelt hat, muß zunächst offenbleiben. (68) Einzelne »thüringische« Elemente im Fundgut des Gräberfeldes von Altenerding sprechen zwar für eine Beteiligung einiger Träger dieser Trachtbestandteile, sie sollten aber ethnisch nicht überbewertet werden. (69)

Zu der Frage, was aus der Friedenhain-Bevölkerung geworden ist, lassen sich nicht unbegründete Spekulationen vorstellen. Th. Fischer hat zur Beantwotung dieser Frage jüngst die Gründergeneration von Bittenbrunn ins Auge gefaßt. (70) Vor allem die militärische Komponente der Beigaben in den Männergräbern läßt ihn vermuten, daß in den Gräbern die letzte Kastellbesatzung von Neuburg zu sehen ist. Friedenhain-Keramik ist in diesen Bittenbrunner Gräbern nicht mehr vertreten. Sollte sich der Befund von Bittenbrunn als verbindlich für die Region Ingolstadt herausstellen, und bislang spricht nichts gegen diese Annahme, so wäre hier ein Ende des Materialhorizonts Friedenhain um die Mitte des 5. Jahrhundert gegeben. Donauabwärts liegt für diese Vermutung im Gräberfeld an der Bajuwarenstraße in Straubing-Alburg ein gleichgearteter Befund vor. H. Geisler geht davon aus, daß die zwei ältesten dort angetroffenen Körperbestattungen mit Friedenhain-Ware in die Mitte des 5. Jahrhunderts zu stellen sind. Eines der beiden Gräber mit Friedenhain-Keramik war im Gegensatz zu allen jüngeren Gräbern Nord-Süd-ausgerichtet (Grab 84). (71) Daraus könnte abgeleitet werden, daß bei der Gründung der Siedlung zwar einige Friedenhain-Leute beteiligt waren, diese jedoch nicht generell als Träger der Aufsiedlung in Frage kommen.

Gedanken zu Regensburg im 5. und beginnenden 6. Jahrhundert

K. Schwarz hat angenommen, daß der Materialhorizont Friedenhain in Regensburg, dem zentralen Ort des bayerischen Donauraumes, durchaus ins 6. Jahrhundert hineinreichen könnte, eine Annahme, der sich auch Fischer anschließt. (72) Inwieweit diese Annahme einen realen Hintergrund besitzt, wird im weiteren Verlauf der Ausführungen diskutiert. Schwarz stützt sich offensichtlich auf die hier im Schichtverband mit einglättverzierten Schälchen vom Typ Altenerding-Aubing vereinte Friedenhain-Keramik. Dieser Beobachtung sind wegen ihrer Abweichung vom oben dargelegten Chronologieschema einige Überlegungen zu widmen.

So ist es durchaus denkbar, daß Regensburg eine Sonderentwicklung durchlaufen hat. Daß eine anzunehmende Zuwanderung der Gründergeneration von Bittenbrunn unter kriegerischen Gesichtspunkten, etwa auf der Suche nach neuem Siedlungsland, stattgefunden hat, wäre aus den dortigen Waffengräbern abzuleiten. Der Einfall in den bayerischen Donauraum und die angrenzenden Gebiete hätte einesteils so stark gewesen sein müssen, daß die Friedenhain-Bevölkerung zurückweichen mußte. Andererseits wäre deren Zahl doch so beträchtlich gewesen, daß sie die Festung Regensburg halten konnte. Mangels einer übergeordneten Ordnungskraft könnte im Umland von Regensburg es in der Folgezeit durchaus zu einer gewissen Koexistenz zwischen der Gruppe Friedenhain und der Gruppe Bittenbrunn gekommen sein.

Während sich im gesamten weiteren Umland bevölkerungsmäßig die oben aufgezeigten Tendenzen abzeichnen, könnte Regensburg eine Art Refugium der Gruppe Friedenhain mit ihren Spitzen und deren Gefolgschaften geworden sein, die sich auf den engeren Raum um Regensburg und das nordöstliche Donauvorland oder gar in die Stadt selbst zurückgezogen haben. Die Wehrhaftigkeit, ja Uneinnehmbarkeit des antiken Mauerberings könnte diese Annahme stützen. Noch im 8. Jahrhundert spricht der Freisinger Bischof Arbeo von der eindrucksvollen Mächtigkeit der Mauern. Diese »Gettosituation« hätte das Zusammengehörigkeitsgefühl der Friedenhain-Bevölkerung so beeinflussen können, daß sie die ursprüngliche Fremdbenennung Baiovarii nun in zunehmendem Maße für sich selbst übernahm. Mit dem dadurch anzunehmenden Selbstverständnis der Namensträger ließe sich das Festhalten am Namen im Sinne einer Traditionswahrung begründen.

Diese Vermutung kann sich immerhin auf einen sehr bemerkenswerten archäologischen Befund stützen. Klaus Schwarz hat zwischen 1963 und 1968 umfangreiche Untersuchungen im Innenbereich des Niedermünsters und damit in der Nordwestecke des Legionslagers von Regensburg durchgeführt. Zu den Ergebnissen hat er in einem Vorbericht Stellung genommen. (73) Die Betrachtung der stratigraphischen Verhältnisse der betroffenen Zeitabschnitte ist nun besonders interessant. (74) Schwarz spricht davon, daß im 5. Jahrhundert »nun die germanischen Siedler allein anwesend sind«. Er weist auch nach, daß die römische Architektur zunächst auf eingeschränkte Weise weiterbenutzt wurde, daß dann aber ein systematischer Abbruch der römischen Gebäude stattfand, dem eine Einplanierung folgte, die bis an die Oberkante der Mauerköpfe reichte.

Darüber lag eine Humusdecke, ein sogenannter schwarzer Horizont, der im ganzen Grabungsbereich anzutreffen war. Selbst westlich des Doms wurde diese »schwarze Erde« bei anderen Untersuchungen beobachtet. Über der Humusdecke konnte eine Planierschicht festgestellt werden, nach deren Auftrag es zu neuer Bautätigkeit kam. Bei der chronologischen Ansprache der Keramik und der Datierung der davon abgeleiteten Ereignisgeschichte kommt Schwarz in argumentative Not. So wird einerseits von einer wenigstens 100 Jahre dauernden Siedlungslücke gesprochen, und andererseits findet er in eben dieser Humusschicht, die sich in diesem Zeitraum »natürlich« gebildet haben soll, sowie in einer »beim nächsten Bauvorgang« aufgebrachten Ausgleichsschicht Keramik des späten 6. und 7. Jahrhunderts. Eben diesen Zeitraum nimmt er an späterer Stelle aber für die angenommene Siedlungslücke in Anspruch. Betrachtet man das von Schwarz zitierte Kurzgutachten K. Brunnackers zu den Bodenbefunden genau, so fällt auf, daß Schwarz den Auftrag hierzu im Hinblick auf eine bereits vorgefaßte Meinung gegeben hatte. (75)

Die Bodenkunde sollte prüfen »inwieweit ein zwischengeschalteter Horizont (die Humusschicht) auf Unterbrechung der Siedlungstätigkeit zurückgeführt werden kann«. Die Ausführungen Brunnackers sind zunächst insofern interessant, als er zumindest verbal die von Schwarz erwartete Auskunft erteilt, indem er schreibt: »... deuten ... auf eine Zeit der Siedlungsunterbrechung mit offenem Gelände.«

Schwarz glaubt sich dadurch in seiner Ansicht bestärkt und bezieht sich auf das Gutachten Brunnackers, wenn er schreibt: »Es handelt sich um eine auf natürliche Weise entstandene Humusdecke.« Dies hat Brunnacker jedoch so nicht gesagt. Er spricht vielmehr davon, daß eine »Nutzung als Viehweide oder Ackerland« nicht ausgeschlossen sei. Die Aussage Brunnackers »Siedlungsunterbrechung mit offenem Gelände« ist also so zu verstehen, daß lediglich eine Unterbrechung der Überbauung stattgefunden hat. Viehweide und Ackerland sind aber in gleicher Weise Kriterien der Besiedlung eines Ortes. Von entscheidender Aussagekraft sind darüber hinaus noch folgende Ausführungen Brunnackers: »Ursache dieser schwachen Bodenbildung war eine bodenbiologische Aktivität, die durch das kalkhaltige Ausgangsmaterial (insbesondere Mörtelstückchen) und siedlungsbedingte Phosphatanreicherung besonders begünstigt war. Fragmente einer Molluskenfauna und Anreicherung von aus Gräsern, wie möglicherweise aus Getreide ableitbaren kieseligen Skelettelementen, als Opalphytolithe bezeichnet, deuten zusammen mit der Bodenbildung auf eine Zeit der Siedlungsunterbrechung mit offenem Gelände.« Brunnacker spricht hier deutlich von Phosphateintrag, womit wohl Düngung zu verstehen ist, und möglichem Getreideanbau (Opalphytolithen). Die Humusschicht ist demnach wohl nichts anderes als Ackererde. Schwarz kann und will sich jedoch von seiner vorgefaßten Meinung nicht trennen und nimmt auf die inhaltlichen Äußerungen von Brunnacker ganz offensichtlich keinen Bezug.

Bringt man diese jedoch in Einklang mit den Befunden, so ist folgende Sukzession denkbar, die allerdings einer chronologischen Bestätigung bedarf. Die germanische Bevölkerung von Regensburg nutzte die römischen Gebäude bis zu einem noch offenen Zeitpunkt im 5. Jahrhundert. Danach wurden die Gebäudereste, ohne daß eine Brandkatastrophe nachzuweisen wäre, planmäßig abgetragen, das Gelände nivelliert und mit einer Humusschicht durch aktiven Antransport überdeckt. Eine natürliche Sedimentbildung (nicht Bodenbildung, da diese Bezeichnung bodenkundlich zu verstehen ist) von einer Mächtigkeit, die es erlaubte, sie agrarisch zu nutzen, ist in dem zur Verfügung stehenden Zeitraum und unter den gegebenen äußeren Bedingungen schlichtweg undenkbar. Die nunmehr vorhandene Humusschicht diente als Grundlage für eine ackerbauliche Nutzung, bis sie zu einem ebenfalls noch zu klärenden Zeitpunkt des 6. Jahrhunderts wieder mit einer dünnen Ausgleichsschicht als Basis einer weiteren Bebauung überdeckt wurde.

Die tatsächliche Chronologie dieser Ereignisse läßt sich ohne detaillierte Bearbeitung hier nicht klären. Doch kann man den Befund aus der Sicht der oben geäußerten Vermutungen aber bereits ereignisgeschichtlich interpretieren. Dabei ist die Tatsache, daß innerhalb der Mauern des Legionslagers große Anstrengungen unternommen wurden, um im Bereich ehemaliger römischer Gebäude Ackerflächen anzulegen, von erheblicher Bedeutung. So etwas tut man nicht ohne Not, nicht, solange im Umland von Regensburg ausreichend Raum für landwirtschaftliche Aktivitäten und darüber hinaus beste Böden zur Verfügung stehen. Man könnte sich vorstellen, daß der vermutete Rückzug der »Friedenhain-Bevölkerung« als Ursache dafür anzusehen war, daß in der Festung eine autarke Versorgung sichergestellt werden mußte, der offensichtlich eine gewisse Dauer beschieden war. Nach den Befunden könnte die gesamte Nordostecke des Legionslagers in Acker- und Weideland umgewandelt worden sein, als Reaktion auf eine Bedrohung bzw. Folge der Isolation. Mit dieser Annahme könnten auch die von Fischer vorgestellten Befunde der Ausgrabung Grasgasse in Übereinstimmung gebracht werden. Dieser Bereich wäre Wohnbereich geblieben, für den die archäologischen Kleinfunde eine kontinuierliche Abfolge belegen.


Sammelblatt des Historischen Vereins Ingolstadt, 99. Jahrgang, 1990
Karl Heinz Rieder, Ingolstadt 1991. S. 32-37.

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siehe auch:
Gerhard H. Waldherr: Die römische Epoche in Regensburg:
(Das Ende der römischen Herrschaft in Raetien)


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