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Jan Weinig:
Weichering: Glockenbecher-Kultur - Schnurkeramik

 
1991 musste anläßlich des Baus der Ortsumgehung Weichering eine archäologische Ausgrabung durchgeführt werden.

Weichering-Totfeld

Gräberfeld der Glockenbecherzeit; Mitte bis Ende 3. Jt.

"Um eine zentrale Grabgruppe, mit dem für diesen Horizont typischen Kreisgraben, gruppierten sich locker weitere Hockerbestattungen, oft in sehr kleinen Grabgruben.
Den Beigaben nach und der Nord-Süd Ausrichtung der Gräber folgend, waren in allen größeren Anlagen Männer bestattet. Sie trugen meist Dolche aus Hornstein, Armschutzplatten und Knochenschmuck.
Die kleineren Bestattungen enthielten überwiegend ärmere Kindergräber, aber auch zwei reich mit Keramikbeigaben versehene Frauen. Bei diesen war der Kopf immer entgegen der Ausrichtung der Männer, nach Süden gerichtet.

Weichering, Glockenbecherdolch Weichering, Pfeilspitzen
Besonders hervorzuheben ist eine Grabanlage am Rande des Gräberfeldes, die keinen Leichnam enthielt.
Das Kenotaph, nach der Keramikbeigabe eines Bechers mit »randständigem« Henkel beurteilt, ist innerhalb der Gräbergruppe sehr »spät« anzusetzen und erbrachte den einzigen Metallfund des Friedhofs, einen Kupferdolch. ..."
s.a.: Ingolstadt, Augraben

"Von überregionaler Bedeutung ist die große Laufzeit, also die Dauer der Belegung des Friedhofs."


Grabgruppe der Schnurkeramik

"Kleinere, unvollständig geschlossene Kreisgräben weiter östlich zu der zentralen Grabgruppe gelegen, fielen durch eine Ost-West Orientierung der Grabgruben auf, die sich zudem außerhalb der Grabanlagen befanden.
Zwei Kinderbestattungen, beides wohl Mädchen im Säuglingsalter und ein erwachsener Mann, waren mit Bechern schnurkeramischer Form und Hornsteinmessern versehen.
Die Träger der Schnurkeramik werden als direkte Vorfahren der Glockenbecherleute angesehen.


Frühbronzezeit

Zwei kleine, sehr unscheinbare Brandgräber bilden schließlich den Anschluß der Belegung des Friedhofs in der frühen Bronzezeit.
Vergleichbare Keramik, zusammen mit einem Silexartefakt und Leichenbrand waren darin enthalten. Sehr ähnliches Material fand sich auch in der Großgrabung südlich von Zuchering, bei der ein ganzes Dorf dieser Epoche ergraben werden konnte."

"Nicht gesichert wurden römische Baubefunde, wie auch die römischen Straßentrassen der Kaiserzeit und Spätantike."


Frühlatène-Gräber

"Kurz vor Ende der Rettungsgrabung fand dennoch die Bergung zweier, für die Region ungewöhnlich aufwendig mit Schmuckbeigaben ausgestatteter keltischer Frauengräber statt. Sie datieren in die Zeit kurz vor der Entstehung des Oppidums Manching, um das Ende des vierten vorchristlichen Jahrhunderts.
Gräber, gerade aus der Frühlatènezeit, liegen sehr verstreut im Gelände und sind nur durch konsequente Beobachtung aller großflächigen Baumaßnahmen vor Zerstörung zu bewahren."


Weichering-Riedergarten

"Spätbronzezeitliche Bestattungen, Leichenbrand mit Schmuckbeigaben in Kegelhalsgefäßen, innerhalb mehrerer großer Kreisgräben."


Jan Weinig
Bundesstraße 16 neu. Ortsumgehung Weichering, 1991, S. 18/19.

Bearbeitung: Kurt Scheuerer



Etwas ausführlicher in "Das archäologische Jahr in Bayern 1991":

Ein neues Gräberfeld der Kupfer- und Frühbronzezeit bei Weichering

Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, Oberbayern

Seit der Entdeckung des glockenbecherzeitlichen Friedhofs von Großmehring zu Beginn dieses Jahrhunderts hat das Ingolstädter Becken zwischen Neuburg und Vohburg a.d. Donau immer wieder Spuren kupfer- bzw. frühbronzezeitlicher Besiedlung erbracht. Die Fundkomplexe beschränkten sich allerdings lange Zeit auf kleinste Grabgruppen und einige Einzelfunde. Erst die Ausgrabungen der letzten Jahre, verursacht durch steigenden Bedarf an Bauland, erweiterten den Kenntnisstand erheblich. Die dichte Besiedlung beruhte wohl auf besten Voraussetzungen für Viehzucht und bedingt auch für Ackerbau. Paläobotanische Untersuchungen (Dr. H. Küster) zeigten, daß im 3. vorchristlichen Jahrtausend mit einer offenen, verkrauteten Steppen- oder Ackervegetation auf den mageren, zum Teil schon entkalkten, sandigen Kiesböden zu rechnen ist. Über die eiszeitliche Niederterrasse zwischen südlichem Flußufer und Donaumoos verläuft zudem seit alters her eine der wichtigsten Verkehrsachsen Mitteleuropas, die sich auch in der Verbreitung der Fundstellen widerspiegelt (Abb. 37). Auf Weicheringer Gemarkung waren zwei Areale von der Trassenverlegung der Bundesstraße 16 und der Schaffung von Ausgleichsflächen für Biotope betroffen, auf denen Luftbilder Kreisgräben, Gruben und römische Straßenzüge erkennen ließen. Wegen der zügig voranschreitenden Baumaßnahmen mußten daher kurzfristig Rettungsgrabungen durchgeführt werden. Dabei gelang es, östlich der Ortschaft auf der Flur »Toter Mann« ein kupfer- und frühbronzezeitliches Gräberfeld aufzudecken, das von besonderem wissenschaftlichem Interesse ist.

Abb. 38

Von den bislang 23 freigelegten Gräbern des wohl nur zum Teil erfaßten Friedhofs gehören 18 der Glockenbecherkultur, drei der Schnurkeramik und zwei der frühen Bronzezeit an (Abb. 38). Er zählt damit zu den größten bekannten Bestattungsplätzen der Kupferzeit in Süddeutschland und unterscheidet sich deutlich von den kleineren Gräberfeldern der Umgebung wie etwa den beiden Grabgruppen von Oberstimm, die alle erst im letzten Jahrzehnt entdeckt wurden.

Während sich im Südwestteil des glockenbecherzeitlichen Friedhofs, der die Westhälfte der Grabungsfläche einnimmt, Hockerbestattungen in oft sehr kleinen Grabgruben konzentrieren, häufen sich nordöstlich davon solche mit Kreisgräben oder Grabbauten.

Abb. 38 Abb. 39
Besonders auffallend ist eine relativ große, rechteckige Anlage (Abb. 38, 18; 40), die nördlich an das eigentliche Grab anschließt und an ein Totenhaus denken läßt. Das Skelett war deutlich disloziert, ohne daß jedoch der Eindruck einer Beraubung entstand. Das Inventar - Armschutzplatte (Abb. 39), Pfeilspitzen, zwei vollständig erhaltene Gefäße und eine Fleischbeigabe - könnte eine komplette Totenausstattung darstellen.

Der Nord-Süd-Orientierung der Skelette und den Beigaben zufolge handelt es sich bei den Bestattungen mit Kreisgräben bzw. größeren Grabbauten um Männergräber. Sie enthielten meist Dolche oder Pfeilspitzen aus Hornstein, Armschutzplatten und Knochenschmuck. Mit Ausnahme einiger beigabenloser Kinderbestattungen fand sich in allen Gräbern Keramik, in der Regel bis zu drei Gefäße.

Eine grabähnliche Grube im Bereich einer kreisförmigen Pfostensetzung am Westrand der untersuchten Fläche (Abb. 38, 9) stellt einen Sonderfall dar: Sie enthielt zwar einen Becher mit randständigem Henkel, Pfeilspitzen und den einzigen Metallfund des Friedhofs, einen Kupferdolch (Abb. 39), aber weder ein Skelett noch Leichenbrand. Die Waffen lassen den Schluß zu, daß hier das symbolische Grab (Kenotaph) eines Mannes vorliegt.

Wie eine allerdings noch nicht durch anthropologische Bestimmungen abgesicherte Gliederung des Friedhofs nach Alter und Geschlecht der Toten zeigt, hatte man die Frauen (Gräber 8, 14, 16) im Südteil bestattet, die Männer dagegen überwiegend im Nordteil. Dazwischen liegen in lockerer Anordnung die Gräber der Kleinkinder und Jugendlichen (Gräber 4-7, 11-13).

Die Verteilung der Becherformen im Gräberfeld deutet möglicherweise eine Horizontalstratigraphie an. Neben zonal verzierten Glockenbechern treten auch - zum Teil mit diesen kombiniert - unverzierte Becher mit unterrandständigem Henkel sowie Formen mit randständigem Henkel auf, die allgemein als jünger angesehen werden. Aus dem Rahmen fällt das Frauengrab 16, in dem sich ein Zonenbecher zusammen mit einem Becher mit randständigem Henkel fand.

Die Gräber 19, 20 und 21 in der Osthälfte der Fläche heben sich vor allem durch ihre Orientierung (Ost-West bzw. Nordost-Südwest) von den übrigen ab. Zudem liegen zwei davon südöstlich außerhalb eines Kreisgrabens. Bestattet sind hier zwei Säuglinge (Gräber 20 und 21) und ein Mann (Grab 19), denen schnurkeramische Becher - im Fall der Säuglinge vom Typ Geiselgasteig - und Hornsteinmesser beigegeben wurden.

Zwei unscheinbare kleine Brandgräber (B und C) gehören bereits in die Frühbronzezeit. Zwei oder drei völlig verbrannte Gefäße fanden sich zusammen mit einem Silexartefakt und Leichenbrand in der größeren Grabgrube B. Das kleinere Grab C enthielt nur wenige Scherben und etwas Leichenbrand. Sehr ähnliches Keramikmaterial kam bei der Grabung südlich von Zuchering zutage, wo zwei benachbarte Siedlungen oder Gehöfte mit zugehörigen, leider beigabenlosen Gräbern dieser Epoche freigelegt werden konnten.

Die Weicheringer Nekropole stellt eine willkommene Bereicherung der Hinterlassenschaften der Glockenbecherkultur im Ingolstädter Raum dar und eröffnet interessante Einblicke in Grabbau und Gräberfeldstruktur jener Zeit.

Jan Weinig
Das archäologische Jahr in Bayern 1991. S. 64-67. Stuttgart 1992.


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