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Andreas Tillmann:
Axt aus Gaimersheim, Neuhartshöfe, Lkr. Eichstätt

 

Schnurkeramische Neufunde aus dem nördlichen Oberbayern

Ca. 780 m südwestlich der Kirche von Gaimersheim fand J. Kroll aus Gaimersheim auf einer unter dem Pflug stehenden Anhöhe eine Axt aus Felsgestein, die aufgrund ihrer charakteristischen Formgebung in die Zeit der älteren schnurkeramischen Kultur datiert werden muß und als gemeineuropäische Hammeraxt angesprochen werden kann. Beifunde wurden von Kroll nicht entdeckt. Der Umstand, daß die Axt vollständig ist, scheint durchaus dafür zu sprechen, in ihr die Grabbeigabe einer Männerbestattung zu sehen.

Das in der Tat prächtige Stück wurde aus Serpentinit hergestellt, ein in der jüngeren Steinzeit aufgrund seiner ansprechenden Farbgebung wie auch wegen seiner geringen Härte und guten Polierbarkeit gerne verarbeitetes Gestein. Es entsteht unter Druck und Wärme aus dunklen Magmatiten wie Peridotit, Diabas, seltener aus Dolomitgestein. Sein Name nimmt Bezug auf das fleckige und streifige Aussehen (lat. serpens = Schlange). Die Nebengemengteile sind Chrysotil, Antigorit und Olivin sowie Granat und Amphibole. Fast immer können auch Calzit und Glimmer festgestellt werden, beide sind Minerale mit blättriger Struktur, die sich unter Druck einregeln, was dem Gestein sein faseriges Aussehen verleiht.

Abb. 2.
Abb. 2: Gemeineuropäische Hammeraxt von der »Neuhartshöfe«,
Gde. Gaimersheim.

Bei einer Länge von 173 mm und einer maximalen Breite
von 59,4 mm ist die größte Höhe der Axt, gemessen im
Bereich der Durchbohrung, mit 41,4 mm verhältnismäßig
gering. Das Gewicht beträgt 458 g. Wie auch bei dem
Gradhofer Exemplar nimmt die Breite in Höhe der Bohrung
beträchtlich zu, dagegen ist der Wulst auf der Oberseite
wenig ausgeprägt (Abb. 2). Die Seitenansicht offenbart,
daß die Unterseite bis auf Schneide und Nacken fast eben
ist, eine Beobachtung, auf die im folgenden noch zurückzu-
kommen sein wird. Die Schneide lädt leicht aus, um dann
zur Oberseite hin nach rückwärts einzuziehen. Die maximale
Höhe der Schneide beträgt 40,4 mm. Am Übergang vom
verstärkten Mittelteil zum Nackenbereich zieht die Unter-
seite leicht nach oben ein, um zum Ende hin in einen
hammerartigen, runden Nacken von 39-42 mm Durch-
messer einzumünden.

Abb. 3.
Abb. 3: Projektion der Auf- und Seitenansichten der Äxte vom
Gradhof (gestrichelte Linie) und aus Gaimersheim (durchgezogene
Linie).

Eine Projektion der Umrisse beider Äxte übereinander zeigt
deutlich eine größere Übereinstimmung. Ebenfalls ist zu
erkennen, wie weit die Fertigung der Gradhofer Axt schon
vorangeschritten war, allerdings auch, wieviel Arbeit noch
zu leisten gewesen wäre (Abb. 3). Das Exemplar aus
Gaimersheim ist überaus sorgfältig gearbeitet und auf der
gesamten Oberfläche völlig glatt. Beim genauen Hinsehen
können aber auf der Oberfläche sehr viele feine Riefen
festgestellt werden, die offensichtlich mit der Bearbeitung in
unmittelbarem Zusammenhang stehen. Soweit diese Riefen
nicht vollständig abgerieben sind, verteilen sie sich aber nicht planlos über den Axtkörper, sondern
lassen Arbeitsrichtungen erkennen (Abb. 4). Die Riefen nun als Gebrauchsspuren des schon oben
beschriebenen »mobilen« Schleifsteins zu interpretieren, liegt auf der Hand. Eine zufällige Entstehung
der Riefen scheint aufgrund ihrer regelhaften und nachweislich zielgerichteten Anordnung völlig
ausgeschlossen.

Angesichts der relativ geringen Härte von Serpentinit kann auch der Einsatz von Hornsteinartefakten bei der Axtherstellung a priori nicht ausgeschlossen werden, da das Material sehr gut mit der natürlichen Schneide einfacher Abschläge bearbeitet werden kann. Wenn der Winkel zwischen der Oberfläche des Werkstücks und der Arbeitskante des Abschlages spitz ist, entstehen beim Schabvorgang nicht selten Rippelmarken oder winzige Facetten auf der Axt. Nur bei einem stumpfen Arbeitswinkel ergeben sich glatte Oberflächen. In beiden Fällen kann diese Bearbeitungstechnik unter Zusatz von Wasser oder gar öligen Substanzen effektiver gestaltet werden. Dabei verbindet sich das abgeschabte Gesteinsmehl mit der Flüssigkeit und wirkt letztlich wieder als Schleif- und Poliermittel. Arbeitsspuren sind bei dieser Technik dann kaum mehr vorhanden, sondern die bearbeitete Oberfläche ist völlig glatt und neigt zum Glänzen. Dagegen kommt es beim Einsatz von Sandstein oder anderen quarzhaltigen Sedimentgesteinen zu einem Zusetzen des Schleifsteins. Bei Hinzufügung flüssiger Substanzen wird der Schleifstein dann schnell unbrauchbar. Zu umgehen ist dieses Problem nur, wenn der gesamte Arbeitsgang im Wasser stattfindet, das den Gesteinsabrieb hinwegspült. Mindestens aber muß ständig Wasser über die zu bearbeitende Fläche fließen.

Abb. 4.
Abb. 4: Lage der Arbeitsspuren auf der Axt aus Gaimersheim. U = Unterseite. O = Oberseite; (schematisch).

Der Axt lassen sich aber noch weitere Informationen abgewinnen. Die Abb. 4 zeigt in schematisierter Form den Verlauf der Schliffspuren auf der Unterseite, die senkrecht zur Längsachse liegen. Die Oberfläche wurde im Bereich der Bohrung im Rahmen des Möglichen plan geschliffen. Da dies durch die ausladende Schneide in Längsrichtung nicht möglich war, mußte man quer dazu schleifen. Daran schließt sich nun die Frage an, welchen praktischen Nutzen dieses Unterfangen haben sollte. Dazu lassen sich mindestens zwei Gründe anführen. Zum einen mußte die Axt durchbohrt werden, und für den Bohrer benötigte man eine brauchbare, sprich ebene, Plattform. Dafür bot sich besonders die gerade, flache Unterseite an, da man auf der gerundeten Oberseite den Bohrer kaum exakt positionieren konnte. Die Fixierung der gewölbten Oberseite wurde dadurch erreicht, daß man sie in ein Holz mit einem in Längsrichtung ausgespartem Winkel legte, ähnlich wie man heute Rohre zum Sägen fixiert. Durch den senkrecht wirkenden Bohrdruck ist das Werkstück nahezu unverrückbar. Ein Indiz dafür, daß die Bohrung wirklich von der flachen Unterseite her vorgenommen wurde, liegt ebenfalls vor. So ist an der Unterseite der Axt am Übergang zum Bohrloch fast eine scharfe Kante spürbar, wohingegen man dort, wo der Bohrer auf der gebogenen Oberseite ausgetreten ist, eine ausgebrochene Kante erkennen kann. Die Aussprünge im Gestein, die durch den Bohrungsdurchbruch verursacht wurden, bereinigte der Hersteller, indem er die Kante mit einem Silexabschlag brach. In diesem Zusammenhang kann als Analogie dazu darauf verwiesen werden, daß derselbe Vorgang beim Bohren von Gußeisen zu beobachten ist, einem von der Struktur her nicht unähnlichen Material.

Schließlich sei noch in Kürze die Bohrung selbst besprochen. An der Unterseite gemessen beträgt der minimale Lochdurchmesser 22,4 mm und auf der Oberseite nur 20,5 mm. Mit ziemlicher Sicherheit wird man davon ausgehen dürfen, daß die Bohrung mit einem Hohlbohrer durchgeführt wurde (Rieth 1956). Dieser Bohrertyp erhält erst nach einer gewissen Eindringtiefe einen ausreichenden seitlichen Halt und außerdem reduziert sich sein Durchmesser während des Bohrvorganges. Bis zu diesem Punkt ist seine Rotation nicht völlig rund, sondern weicht minimal davon ab. Deshalb variiert der Durchmesser auf der Unterseite auch um 0,5 mm. Des weiteren erklärt sich damit auch der um fast 2 mm unterschiedliche Durchmesser des Bohrloches an Ober- und Unterseite. Dies ist zudem ein weiteres Argument dafür, daß die Bohrung an der Unterseite begonnen wurde.

Die flache Unterseite hatte aber noch einen weiteren Nutzen. So mußte die Axt auch noch geschäftet werden, wofür sich ein Holm anbot, der im Schäftungsbereich einen größeren Durchmesser hatte als Bohrloch. Das Ende des Schaftes wurde dann zu einem abgesetzten Zapfen umgearbeitet, der exakt in das Bohrloch paßte. Auf dem so entstandenen Vorsprung lag dann die Axt bündig auf, da ja auch ihre Unterseite an dieser Stelle plan ist. Den Schäftungszapfen des Holmes konnte man sogar der konischen Bohrung anpassen, so daß die Axt ohne Spiel befestigt war. Ob von der Oberseite, fast wie bei heutigen Äxten, ein Holzkeil in den Zapfen getrieben wurde, entzieht sich natürlich unserer Kenntnis. Wahrscheinlich aber hätte ein zu fest eingetriebener Keil die Axt im Lochbereich gespalten. Eine andere Schäftungshilfe, etwa mit Lederschnüren, hätte andererseits das äußerst ästhetische Erscheinungsbild diese Äxte beeinträchtigt. Außerdem darf nicht vergessen werden, daß diese Waffenart von Metalläxten abzuleiten ist, die sicher in der zuerst beschriebenen Art geschäftet wurden.

Die zuvor aufgezeigten Bearbeitungsspuren und die daraus abgeleiteten technischen Erläuterungen beziehen sich im Detail nur auf die beiden hier vorgestellten, schnurkeramischen Fundstücke. Ähnliche Bearbeitungsspuren konnten jedoch auch an einigen weiteren Streitäxten der gleichen Form beobachtet werden. Trotzdem haben die technischen Erklärungen nur einen vorläufigen und keinesfalls einen allgemeingültigen Charakter. Solche Detailuntersuchungen müssen an viel mehr Exemplaren durchgeführt werden, um den realen Arbeitsablauf eines Tages nachvollziehen zu können.

Am Ende dieser kurzen Miszelle, die dazu diente, der Herstellung von schnurkeramischen Äxten ein wenig näherzukommen, soll die Frage aufgeworfen werden, ob denn der Terminus Axt überhaupt auf die beschriebene Form zutrifft. Das Gaimersheimer Exemplar hat wie die meisten seiner Art gar keine echte Schneide im eigentlichen Sinn, sondern die Kante ist rund ausgearbeitet und war es auch immer. Die Funktion einer Axt kann demnach keines dieser Stücke in der Realität wahrgenommen haben. Zudem lassen sich bei den meisten Exemplaren am Schneidenteil auch keine Gebrauchsspuren feststellen, weshalb ein ernsthafter Gebrauch weitestgehend auszuschließen ist. Im Grunde bleibt dann nur noch eine Deutung als Keulenkopf von spezieller Form. Mit Blick auf die optisch doch recht ansprechende Form, die nicht übermäßig große Festigkeit und das weiche Gestein muß man sich fragen, ob es sich in den meisten Fällen nicht sogar lediglich um Statussymbole gehandelt hat, die jeweils nur ausgewählten Personen zugestanden haben.


Andreas Tillmann
Schnurkeramische Neufunde aus dem nördlichen Oberbayern
Sammelblatt des Historischen Vereins Ingolstadt, 1990. S. 77-91.

Bearbeitung: Kurt Scheuerer


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