Die römische Schiffsfibel von Neuburg a. d. Donau, Bayern
- Versuch einer Deutung
- Scheuerer, Kurt
- In: Neuburg an der Donau. Archäologie rund um den Stadtberg. 1993.
Fundumstände
- Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege untersuchte von 1983 bis 1986 unter der Leitung von Dr. Karl Heinz Rieder den Innenhof der "Münz" in Neuburg an der Donau. Die obersten intakten Fundhorizonte waren einer Militärstation aus dem 1. Jh. n.Chr. zuzuordnen, spätere Schichten sind wohl im Mittelalter abgetragen worden.
- "Lediglich am südlichen Abbruch des Bergsporns konnte eine in den dort befindlichen urnenfelderzeitlichen Wall eingetiefte, rechteckig begrenzte Stelle dokumentiert werden, welche auf wenigen Quadratmetern Auffüllmaterial aus der Zeit des 4. und 5. Jhs erbrachte. Daraus liegt eine kleine Münzserie vor, die den Einbau datiert."
- Nach mündlicher Auskunft von Dr. Rieder enthielt dieses Material zahlreiche Altmetallstücke, darunter auch eine bronzene Venusstatuette; beim Schlämmen wurde die zu betrachtende Schiffsfibel gefunden.
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Die Fibel von Neuburg
- Die Fibel hat die Form eines kleineren geruderten Fracht- oder Transportschiffes ohne Mast und Segel, welches nach rechts fährt.
- Der Schiffskörper hat keinen Rammsporn, er ist kurz und "völlig" gebaut und entspricht damit den in der Antike gängigen Maßzahlverhältnissen für Frachtschiffe von Länge : Breite = 3 : 1.
- Die Karweelbauweise mit aneinanderstoßenden Planken entspricht der damals am Mittelmeer üblichen Technik. Die beiden Steven sind senkrecht hochgezogen und münden, einwärtsschwingend, vorne in einen Greiffenkopf und achtern in einen Schnörkel.
- Im Schiff sitzen drei Männer, welche querab zur Fahrtrichtung direkt auf den Betrachter blicken. Sie sind fast gleich groß, nur der mittlere scheint etwas größer zu sein, in der Art von "Vater mit zwei Söhnen" oder "wichtiger Mann mit zwei Begleitern".
- Ihre Erscheinung gleicht recht gut den Portraitdarstellungen der römischen Kaiser auf den Münzen des 1. und 2. Jhs n.Chr.
- Um den Hals ist bei allen dreien mehr oder weniger ein Wulst zu erkennen, welcher wohl einen Reisemantel andeuten soll.
- Die Schiffsfibel von Neuburg ist 22 mm lang, 14 mm hoch und 2,5 mm dick. Von der Nadelhalterung ist nur noch ein Bruchstück erhalten, die Nadel fehlt. Sie wurde in einer offenen flachen Form gegossen, weil bei glatter Rückseite nur ihre Vorderseite reliefiert ist.
- Entgegen früherer Annahme besteht sie aus Bronze mit vollständigem Silberüberzug; nur bei stärkerer Vergrößerung kommt an den Haaren der Personen das Grundmaterial rotgelb zum Vorschein.
- Beplankung und Riemen sind durch Niello-Einlagen gekennzeichnet.
- Unsere Fotografie ist direkt nach der Restaurierung angefertigt worden; mittlerweile ist die Fibel in den Museumsvitrinen fast schwarz nachpatiniert.
- Sie ist sehr sorgfältig gearbeitet; leider sind die Gesichter der 3 mm hohen Köpfe etwas korrodiert, so daß man eine ehemalige Portraitgenauigkeit zwar erahnen, jedoch nicht mehr bestätigen kann.
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Vergleichsfunde
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- Elisabeth Ettlinger beschreibt ein nahezu gleiches Stück:
- "Ebenfalls eine plastische Reliefdarstellung ist die Fibel aus Petinesca mit drei Männern in einem Boot Taf. 15,1, die sicher religiöse Bedeutung hat. ...
- Die wohl meist ehemals «versilberten» Fibeln dürften der zweiten Hälfte des 1. Jh.s angehören.
- Am Limes kommen sie nicht vor. ..."
- Der Kopf am Vorsteven ist abgebrochen, ansonsten ist diese Fibel fast deckungsgleich mit unserer, so daß eine gemeinsame Fertigung vermutet werden darf.
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- Ebenfalls eine Schiffsfibel, jedoch mit ganz anderer Darstellung beschreibt Astrid Böhme:
- "f) Ohne Parallele ist bis jetzt die Zugmantelfibel 1042 in Schiffsform."
- ..."Fibeln in Form von Gerätschaften und Gegenständen sind weitgehend in das 2. Jh. zu datieren. Vielleicht wurden sie teilweise auch noch zu Beginn des 3. Jhs benutzt."
- Es handelt sich hier um eine nach links fahrende Kriegs-Galeere mit Rammsporn, bei welcher keine Besatzung erkennbar ist; mit unserem Stück ist diese Fibel nicht zu vergleichen.
- Siehe auch:
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