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Sagen aus der Ingolstädter Partnerstadt Manisa, Türkei
Tantalos

 
Die erste Sage des klassischen Altertums, die in Manisa spielt, ist die Legende um Tantalos. Er war ein Sohn des Göttervaters Zeus und herrschte zu Sipylos (so heißt der Berg, der Manisa überragt) als König von Phrygien. Die Götter überhäuften ihn mit Ehren und Reichtümern und behandelten ihn, da er ja göttlicher Abstammung war, als einen der ihren - oft waren sie seine Gäste im Schloß zu Sipylos und Zeus lud ihn zur olympischen Tafel ein, wo er an den Gesprächen der Götter teilnahm, vom honigsüßen Nektar trank und die unsterblich machende Speise Ambrosia aß.

Solche Gunst aber machte Tantalos stolz und prahlerisch. Er rühmte sich dieser Gunst vor den Menschen und verriet ihnen wichtigtuerisch manche Geheimnisse der Götter. Er scheute sich nicht, Nektar und Ambrosia zu entwenden und sie bei Gelagen seinen irdischen Kumpanen vorzusetzen. Um die Allwissenheit der Götter zu erproben, faßte er einen unmenschlichen Plan. Er ließ seinen Sohn Pelops töten und als Speise zubereiten, lud die Himmlischen zu Gast und setzte ihnen sein Fleisch vor. Nur die Göttin Demeter (die in Trauer um ihre geraubte Tochter Persephone versunken war) aß ein Schulterblatt. Die anderen Götter aber erkannten das gräßliche Mahl in den Schüsseln aus Gold. Voller Abscheu gegen den herzlosen Vater legten sie den zerstückelten Knaben in einen Kessel und riefen Klotho, die erste der Schicksalsgöttinnen herbei. Sie setzte den Körper zusammen und zog ihn, zu Leben wiedererweckt, in erneuerter Schönheit hervor (Demeter, aus ihrer Trauer aufgeschreckt, ersetzte die fehlende Schulter durch eine künstliche aus Elfenbein). Traurig und zornig verhüllte Zeus ob dieser schmachvollen Untat seines Sohnes Tantalos sein leuchtendes Haupt.

Die Strafe ereilte den Götterfreund auf der Stelle. Der Saal erbebte und fiel krachend in sich zusammen. Eine tiefe Schlucht wird heute im Sipylos-Berg zu Manisa gezeigt, an der das Schloß des Tantalos vermutet wird. Die Himmlischen ergriffen den flüchtenden Frevler und stießen ihn voller Zorn in die höllische Unterwelt, wo ihn drei ewige Qualen erwarteten. Da stand er bei strenger Hitze inmitten eines Teiches, dessen kristallklares Wasser ihm bis an das Kinn reichte und zum Trinken lockte. Sobald er sich aber bückte, um mit verdorrten Lippen und vertrocknetem Gaumen das Wasser zu genießen, versank es ihm Boden und der dunkle Grund gähnte zu ihm herauf, der in entsetzlichem Durst schrie und um sich schlug. Dazu litt er unsagbare Hungerqualen, obwohl über seinem Haupt Zweige mit gelben, saftigen Birnen, duftenden, rotwangigen Äpfeln, süßen Feigen und prallen Oliven hingen. Griff er aber nach ihnen, peitschte sie ein plötzlicher Sturmwind in Wolkenhöhe. Die dritte Pein war der Anblick eines mächtigen Felsen, der lose und wankend über seinem Scheitel hing und jeden Augenblick herabzustürzen drohte, um ihn zu zerschmettern. So mußte Tantalos in alle Ewigkeit dreifache Qualen der Hölle erleiden, weil er die Güte der Götter mißbraucht, ihre Allwissenheit bezweifelt, seinen Sohn ermordet und ihn den Himmlischen zur Speise gereicht hatte. Niemand durfte ihn erlösen.

Die Burg des Tantalos wollen Forscher am Hang des Sipylos über Manisa entdeckt haben. In jüngster Zeit wurde gar die Stadt Atlantis dort vermutet - jene sagenumwobene Stadt, die nach Platon vor etwa 9000 Jahren jenseits der Säulen des Herkules im Antlantischen Ozean bestanden habe und die nach einem Naturereignis versunken sei. In neuerer Zeit wurde das legendäre Atlantis bei Santorin im ägäischen Meer, vor Troja, nun auch bei Manisa, bei jener Schlucht vermutet, in der Tantalos Schloß versank, als die Götter ihrem Zorn über den Zeus-Sohn ausgossen, eine These, der auch der britische Archäologen Peter James nachgeht.

Die schönsten Sagen des klassischen Altertums aus der Ingolstädter Partnerstadt Manisa
Von Dr. Gerd Treffer, Ingolstadt, 2001

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