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Kurt Scheuerer
Das Paradies bei Jakob Balde

 

»Vanitas vanitatum, et omnia vanitas«

Ein traum/ sag ich/ ist Eytelkeit/
Ist alls ein traum/ was Eytel.


Jakob Balde, 1636

Über den trügerischen Schein der Welt

Lesung am 2.2.1997 um 14 Uhr im Stadtmuseum Ingolstadt

Das Paradies bei Balde
Im frühen 17. Jh. war es in Europa üblich, die Vergeblichkeit des menschlichen Bemühens zu besingen. In den weltlichen Dingen konnte nicht der Sinn des Lebens zu suchen sein, dieser mußte im Metaphysischen gefunden werden.
Besonders Jakob Balde, der in dieser Zeit an der Universität in Ingolstadt studierte und dort auch als Professor für Rhetorik wirkte, schmähte den trügerischen Schein der Welt.
In dem Gedicht »hecatombe de vanitate mundi« geschah dies sowohl in lateinischen Versen als auch in deutscher Übertragung. Es war 1636 erschienen, also noch in seiner Ingolstädter Zeit.


Hecatombe seu Ode nova de vanitate mvndi

(München 1636) von Jakob Balde


Sich/ wie der gantz Erdenkraiß
Erschittlet werdt/ vnd spalte: (... gspalten)
Die kugel bricht/ fehlt noch ein kleins/
Kan sich kaum lenger halten.
Aller Veralt/ vnd Vngestalt/ (Voller Alter ...)
Wirdt wol kein Himmel tratzen. (keinem ... trotzen)
O! Welt wisch auff/ es steth dir drauff
Der Letzte halbe Batzen.


Es wüten die vier Element/
Will eins das ander tödten.
Jm Wasser hat das Fewr sein End;
Fewr will das Wasser nöthen. (... nötigen)
Nit anderst als wanns vmb den Halß
Vnd Ohren Lärmen schlügen. (Lärm schlagen)
Mit solchem Grimm/ gantz vngestim/
Thuns gegenander kriegen.


Wach auff mein Sel/ mein Seel wach auff/
Wilst disem Krieg entrinnen:
Mit Taubenflüglen thu dich nauff
Weit von der Erden schwingen.
Wo schnell vnd bhendt das Firmament
Vmbgweltzt die Nacht verkündet:
Wo bey der Waag den schönsten Tag
Ein Jungfraw angezündet.

(Sternbild Waage = herbstliche Tag- und Nacht-Gleiche,
und natürlich ist hier auch das Erscheinen von Jesus auf der Welt gemeint,
von Maria hat Balde ja immer ganz besonders geschwärmt!)


Dort ist das Schloß Sion genannt/
Hierusalem voll Gaben:
Ein Reich gericht im besten Standt/ (eingerichtet)
Kein Endt wirdts jemal haben.
Wächter stehn für/ gleich bey der Thür/
Damit kein Stund nein wischt: (... hineinschlüpft)
December nauß/ Hornung bleib drauß
Mit deinen faulen Fischen. (Ausreden, Lügen, Sternzeichen Fische)


Kein Attila, kein Schwed kombt her/
Der zornig Trummel rühret:
Vnd was da seyndt für Wandaler/
Wie Lämblein man sie führet.
Mörder/ blutschlauch/ gantz wild vnd rauch/ (Blutsauger, rauchende!)
Keck vber alle Wunder;
Kriegsgurglen/ thier auff allen vier/
Die ghören all hinunder.


Die Ewigkeit geht auß vnd ein/
Rund vmb die Statt spatzieren.
Da ist kein zanck/ kein Mein/ kein Dein.
Ein Cron kan alle zieren. (Heiligenschein)
Ein Saal darin/ den Seraphin
Vnd Cherubin vmbgeben.
Mit einem Wort/ in disem Ort
Jst Amen gut zu leben.


Der schön da ist/ bleibt allzeit schön/
Laßt nur sein Früling walten.
Keim Alten fallen auß die Zähn/
Dort grünens erst die Alten.
Sie frewen sich/ frey sicherlich/
Vnd förchten gantz kein schmertzen.
Ohn vnderschid/ ist lauter Frid/
Mars dörfft hie gar nit schertzen.


Sey er so keck/ fang Händel an/ (er = Mars)
Laß heimlich Fewr einlegen:
Kein Gwalt die Vestung gwinnen kan/
Breda ist nichts dargegen.
Keim andern nit/ auff keinsen Bitt/
Thut man die Pfort auffschliessen
Seligen hie verlieren nie
Die Güter/ der sie gniessen.


Das einig Gut/ das wahre Gut/ (einzig)
Das beste Gut zudencken/
Sich wie ein Meer außgiessen thut/
Vnd reine Hertzen trencken.
Ein Meer sag ich/ süß über Milch/ (süßer als Milch)
Süß über süß vor Frewden:
O! wol dem/ der in disem Meer
Wirdt gar ein Schiffbruch leyden.


Es wirdt die Sonn allhie zu Land/ (überall Hierzulande)
Das Liecht der Glori gnennet.
Das schönste Angsicht der Verstand/
Jn disem Liecht erkennet.
Was tunckel war/ wirdt alles klar/
Weit über dMorgenröthe.
Das kleinste Kind/ das dort sich findt/
Waißt mehr als all Propheten.


Die höchste Gstirn/ die vmher gohn/ (gohn, gahn)
Ligen bey jhren Füssen.
Seyndt jhren Herrn vnderthon/
Müssens all Morgen grüssen.
Sitsam/ barhaupt/ seins Gwalt beraupt
Steht Iuppiter von ferrne.
Wann er nit holdt/ vil donnern wolt/
Jch main/ man wurd jhn lernen.


Auff Erden schlag er dapffer drein/
Dort wirdts jhm niemand wehren.
Werff Ætnam ein/ es kan wol sein:
Die Berg mag er vmbkehren.(Jupiter hat mit Bergen geworfen)
Stral/ wolckenplitz/ vnd hagelgschitz.
Sehr hart die Felsen klagen:
Wie jämmerns nit! wie brumblens mit! (mitdröhnen)
So offt jhr Buckel gschlagen. (vom Gewitter)


Der gfahren steht ein gantzes Heer
Mit auffgespanten Hanen.
So vil Sand Körnlein in dem Meer/
Deß will ich dich ermahnen.
Mach nur bald füß/ es thut gar spieß
Vnd helleparten regnen.
Du bist im stich/ vnd trifft man dich/ (in Stichnähe des Feindes)
Kanst dir das Bad selbst gsegnen.


Von so vil Sig Cupido stoltz/
Ein Daußes über dmassen: (ein listiger, verschlagener Mensch)
Schiest öffter ein vergifften Poltz (Bolzen)
Durch alle Weeg vnd Gassen.
Du wirst berührt/ vnd gar verführt/
Vnd liebst das was vergifftet.
Zit morgens nagt das gwissn/ vnd sagt/
O Gott! was hab ich gstifftet? (angestiftet)


Jst noch nit gnug/ merck auff den Tisch/ (paß auf ...)
Was man für Richten schicke. (Gerichte, Speisen)
Jn knödlen/ nudlen/ fleisch/ vnd fisch/
Kanst deinen Todt nein schlicken. (hineinschlucken)
Vom besten Wein kanst truncken sein/
Drauff dStiegen aberfallen.
Für solchen Most der so vil kost/
Wünscht ich ein Wasserschnallen. (Wassersuppe)


Vnd aber du zechst nur deß baß (... umso mehr)
Auff bidten vnd auff borgen.
Sauffts Negelwein/ vnd Hippocras,
Vnd laßt gut Vöglein sorgen.
Als wann kein Gott/ die Höll/ der Todt/
Der Himmel nur erdichtet:
Vnd wäre schon der Bottenlohn
Mit dantzen außgerichtet.


Tragt auff/ sprichst du/ vnd zettet nit/ (fallen lassen und verstreuen)
Rebhüner vnd Basteten.
Credentz die wirdt alls vberschitt:
Drauff schlagt die Harpff moteten.
Bist guter ding/ thust hohe spring/
Jetz diß/ jetz das begehren.
Vnd mainst Herr Wirth vergeß der jrt: (... die Zeche)
Die Welt soll ewig weren.


Weit anderst klingt/ was hell vnd klar
Paulus hat außgesprochen.
Die Welt zergeht mit Haut vnd Haar/
Was darff es jetz vil bochen?
Hast ghört den klang. der Welt anhang
Zergeht: sie ist betrogen.
Die schlimme Welt/ wems jmmer gfellt/
Verstuncken vnd verlogen.


Man waint vnd singt diß zfeld vnnd zhauß/
Man schreibt darvon eins schreiben.
Schreib hin/ schreib her/ man lacht dich auß/
Vnd laßts beym nechsten bleiben;
Nach Vppigkeit vnd Eytelkeit
Thut Gold vnd Silber lauffen:
Die Ewigkeit vnd Seeligkeit
O schand! will niemandt kauffen.

E N D E.


Agathyrsus Teutsch

München 1647

LXXXII.
Jm allgemainen aufferstehn/
Nach weissag der Propheten.
Das in krafft Christi muß geschehn/
Darzu sein Stimm vonnöten:
Wird vberall Pusaunenschall
Durch Thal vnd Gräber streichen.
Der Engel spricht: kombt her zum Gricht/
Jeder mit seines gleichen.


LXXXIII.
Vrplötzlich drauff/ vil ohne zahl/
(Kein Seel bleibt nit dahinden)
Mit jhren Leibern all zumal
Sich widerumb verbinden.
Man fragt dort nit/ wievil er mit
Dultprätl/ Bratwürst gessen:
Sonst käm der Bue am besten zue/
Der zSchweinfurt wär lang gsessen.


LXXXIV.
Scelesta tunc Abdomina,
Et Venter alliatus,
Honore cultus numinis,
Inunctus atque lotus:
Et carnis Ollæ AEgyptiæ
Imum ruent in Orcum.
Callosa mittet aridas
Virtus ad astra Calvas.

Hinab mit dir speckfaiste Rott:
Der Schmauß nit länger wehret.
Welche den Bauch als jhren Gott/
Mit Knobloch hie verehret.
Back dich du Sack/ mit sack vnd back/
Hinab in d'ander Kuchen.
Die selig Schaar/ die Dürr vor war/
Jetzt Gottes Speyß versuchen.


LXXXV.
Tvnc Ossa primum celsius
Prostrata se levabunt.
Tunc Ossa dura mollius
In nubibus cubabunt.
Tvnc Ossa sicca, gaudia
Torrentis irrigabunt.
Tunc Ossa, flante spiritu.
Vt herba geminabunt.

Alsdann werden die Bainer erst (die Gebeine)
Jn dLüfften sich erheben:
Die Heylthumb/ welche hie verehrst/ (= unser Körper)
Auff klaren Wolcken schweben:
Vol Himmelssafft vnd Lebenskrafft/
Nach dem wirs dann verdienen; (nach Verdienst)
Werden sie/ wie in schöner Blüe/
Der lustig Frühling grünen.

(zusammengefügt wie in schöster Blüte des Lebensfrühlings)

E N D E.


Zusammengestellt und geschrieben von Kurt Scheuerer, Ingolstadt

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