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Josef Würdinger:
Professor Oskar Martin Amorbach (1897-1987)

 
Foto: Kurt Scheuerer

Die Aussegnungshalle im Westfriedhof

Die wohl größte Herausforderung - zumindest in Ingolstadt - stellte sich für Martin-Amorbach in der künstlerischen Ausgestaltung des Innenraumes der Aussegnungshalle; denn in den Jahren 1933-1935 wurde der Ingolstädter Friedhof nach den Entwürfen des städtischen Oberbaurats Dr. A. Schwäbl teilweise neu gestaltet. Die große Aussegnungshalle mit Nebengebäuden entlang der Gerolfinger Straße wurde 1934 erbaut und sollte nach den Plänen des Erbauers im Innern ein künstlerisch wertvolles Aussehen erhalten. Neben der handwerklichen Ausgestaltung sollten zusätzlich Fresken die kahlen Längswände samt der Stirnseite der Halle beleben. Der bekannte Historienmaler Oskar Martin-Amorbach - ausgewählt aus mehreren Bewerbern - wurde mit dieser Aufgabe betraut. Man entschied sich (1935) für ein Auferstehungsbild an der Stirnseite und einem Totentanz an den beiden Längsseiten der 200 qm großen und 14 Meter hohen Aussegnungshalle.

Betritt man die Halle ist man sofort gefangen von der monumentalen Gestalt des Auferstandenen. Ehrfürchtig gehen die Blicke hoch zum Heiland der Welt. Ruhig und klar, teilweise noch eingewickelt in Leichentücher, schwebt er über der Welt, symbolisch dargestellt von Jerusalem. Sein rechter Arm leicht angewinkelt, die Handfläche segnend erhoben, zeigt das Wundmal. Neben dem leeren Grab drei Frauen, ein Engel, die schlafenden Soldaten, rechts die drei Kreuze auf dem Kalvarienberg. Allumfassend wie der Regenbogen im Hintergrund ist seine Botschaft von der Auferstehung der Menschen nach dem Tod. Natürlich war diese Art christlicher Kunst nicht mit der Ideologie der Nationalsozialisten vereinbar. Der damalige Kreisleiter von Ingolstadt, Lambert Friederichs, forderte, das Fresko zu verhängen. Dr. Schwäbl widersetzte sich aber dieser Forderung. (10)

Gegenüber am Ausgang verkündet eine Uhr: „Eine dieser Stunden wird deine letzte sein." Fast zwingend führt dieser Satz zur Betrachtung der Malereien an den Seitenwänden.

Foto: Kurt Scheuerer

Sie zeigen die Darstellung von Menschen jeden Alters und Standes; der Tod, dargestellt als Skelett teilweise mit Sense und Stundenglas (Sanduhr), hält engen Kontakt mit ihnen. Niemand ist ausgenommen von der unabänderlichen Tatsache, dass das Leben auf den Tod gelebt wird, dass jedes Lebewesen, jeder Mensch vom Augenblick seiner Entstehung an den Keim des Todes in sich trägt. Amorbach malte die Menschen in lockerer Gruppierung auf den Weltenrichter zugehend. Da sind Mönche und Priester beider Konfessionen, Krankenschwestern, springende Kinder, Handwerker, Ärzte und Professoren, ein altes Paar und eine junges Liebenspaar, Fischer Bauern, Soldaten. Parteigenossen in Uniform mit dem Nazisymbol des Hakenkreuzes wurden nach dem Krieg vom Meister selbst übermalt, bei ganz genauem Hinsehen ist die Stelle der übertünchten Figuren noch sichtbar. Jeder Betrachter kann sich irgendwo einreihen, kann sich selbst sehen und mitgehen im Reigen des Lebens, das immer vom Tod begleitet wird. So kann die eigentliche Aussage, der tiefe Sinn des Werkes von Oskar Martin-Amorbach in dieser Halle in einem Satz zusammengefasst werden: Mitten im Leben sind wir vom Tod umgeben, und mitten im Tod sind wir von Leben umgeben. Dank der kunstvollen Fresken Amorbachs hat der Innenraum der Aussegnunghalle ein ganz besonderes Gepräge erhalten.


Josef Würdinger, Ingolstadt


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