Logo Kurt Scheuerer Wissensspeicher zur Geschichte von Ingolstadt  
Texte im Stadtmuseum Ingolstadt - Raum 8
Romanisierung in täglichem Leben und geistiger Welt

 
Die Eroberung des Alpenvorlands durch die Römer hat zwar keinen grundsätzlichen Bevölkerungswechsel zur Folge, doch gibt es im vindelikischen Keltengebiet der Provinz Rätien auch keine örtliche Kontinuität zwischen keltischer und römischer Besiedlung.
Vielleicht ist hier mit einer Umsiedlung der Einheimischen zu rechnen, sicher ist die planmäßige Neubesiedlung der Provinz mit Veteranen der stationierten Hilfstruppen, verbunden mit Zuzug von fremden Handwerkern, Händlern und Wirten.

Die so bewirkte Durchdringung der alten Bevölkerung mit Italikern und Angehörigen anderer Völker des Reichsgebiets geht überein mit Durchsetzung und Aneignung der lateinischen Sprache und Schrift, des römischen Rechts, mit der Übernahme der hellenistisch-römischen Bau- und Bildkunst und nicht zuletzt der römischen Religion.

Diese Übertragung der römischen Stadtkultur oder Romanisierung wird bereitwillig akzeptiert. Der Mensch tritt jetzt aus der urgeschichtlichen Gemeinschaftskultur gewissermaßen als Individuum hervor, wie die Köschinger Grabinschrift für M. Varius Montaninus zeigt. Die religiösen Bestattungssitten geben zudem Aufschluss über die Rolle des Individuums in der Gesellschaft.

Alte numinose Naturmächte werden ebenfalls in die römische Mythenwelt einbezogen und personifiziert - so wird der Gott des Donauflusses als Danubischer Neptun interpretiert und auf einem Weihestein von der Brücke bei Steppberg genannt. Geschichte wird lesbar.
Auch die bildhaft-realistische Darstellbarkeit von Göttern, Menschen und Naturdingen eröffnet eine neue Sicht. Andererseits kann das massenhaft reproduzierte Bildgut, kann unverbindliche Präsenz des Religiösen im Alltag zur Profanierung führen, wofür die Meerwesen des Prunkmosaiks von Westerhofen beispielhaft sind.

Bei solch weltläufigen Kulturtendenzen sind Traditionen keltischer Art nur in bescheidenem Maß zu spüren, in Zeugnissen des Volksglaubens und in bestimmten Schmuck- oder Keramikformen von Latène-Stil. Es kommt auch zu Neubildungen eigener rätischer Keramiken, handgeformtes Rätisches Bauerngeschirr lässt sich sogar als eine Art Volks- oder Bauernkunst im Gegensatz zur römischen Stadtkunst und städtischen Lebensweise auffassen.

Dr. Rudolf Albert Maier, Tafeltext im Stadtmuseum Ingolstadt
Fotos: Kurt Scheuerer


Siehe auch:

Impressum - - - Nachricht an den Gestalter der Seiten: Kurt Scheuerer
Zur Auswahl Archäologie im Stadtmuseum - - - - - Zur Auswahl Objekte im Stadtmuseum Ingolstadt
Zur Auswahl Materialsammlung Kurt Scheuerer