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Kurt Scheuerer
Von der Synagoge zur Schutterkapelle

"Wohl schon bei der Stadtentwicklung um 1250 hatte Herzog Otto II. der Erlauchte unmittelbar zwischen Stadtmauer/Stadtgraben und Schutter und im Schutz des hgl. Stadtschlosses ein jüdisches Viertel (Ghetto, "Judenhof") mit Synagoge ("Judenschul") anlegen lassen.
Wie in allen Residenzen der Zeit üblich, dienten die jüdischen "Kammerknechte (Finanz-Amtleute) der flächendeckenden Kreditschöpfung im Land, indem sie als Inkassoorganisation das Geschäftsrisiko christlicher Gläubiger minimieren halfen." (Dr. Straub, E-Mail 2007)
  Foto: Kurt Scheuerer
Die Lage des früheren Judenhofs mit der Schutterkapelle links und Altem Schloss rechts der heutigen Mauthstraße in der Kopie des Großen Sandtnermodells von 1572. (Ansicht von Süden.)
 
"Nach der Judenaustreibung von 1384 aus Ingolstadt übereignete Herzog Stephan III. 1397 das Areal des Judenghettos der Stadt, um dort eine Marienkapelle zu einer Kanzleipfründe nebst Benefiziatenhaus für einen geistlichen Kanzleischreiber einzurichten. (Straub, S. 11-16)" (Dr. Straub, E-Mail 2007)
 

 
Zur Diskussion steht derzeit, ob die ursprüngliche Synagoge ganz abgerissen (traditionelle Meinung) oder lediglich zur Kapelle umgewidmet wurde (Meinung Dr. Straub).
 
Der Ingolstädter Judaika-Historiker Dr. Theodor Straub verweist in seinem Leserbrief im DK auf die Urkunde von Herzog Stephan dem Kneißl aus dem Jahr 1397 (s.u.) hin:
»Die Stadt ("der Rat und die Bürger gemeiniglich"!) erhält die völlig unbeschädigten Häuser des Ghettos ("judenhof") mit der Synagoge ("judenschul") ausdrücklich als Eigentum zu treuen Händen, um "ein Kapellen daraus und darauf zu stiften und zu pawen ... in unser Frauen Ehr".«
Und er vermerkt, »dass "bauen" in der Amtssprache des Spätmittelalters soviel wie "betreiben", "sich von Amts wegen um etwas kümmern" heißt und erst in diesem Verantwortungszusammenhang auch "neu errichten" bedeuten kann ...«
Daraus schließt er, dass »die Stadt die bisher jüdische Synagoge damals zur christlichen Weiterverwendung in verlassenem, aber völlig intaktem Zustand anvertraut erhalten« hat.
 
Foto: Kurt Scheuerer
Foto: Kurt Scheuerer
Vogelschau von Westen auf die Kapelle mit gut erkennbarem Grundriss. Die Häuser im Norden (links) und die an die Kapelle angebaute Sakristei unterscheiden sich bei den beiden Stadtmodellen von 1571 (kleines Sandtnermodell, links) und 1572 (großes Sandtnermodell, rechts als Kopie im Stadtmuseum Ingolstadt).
 
Die Synagoge dürfte, ähnlich wie in Regensburg und Prag, ein kapellartiger Bau gewesen sein, allerdings ohne Ostchor. "Sie war religiöser und gesellschaftlicher Mittelpunkt aller Juden der Residenz... Sie war Betsaal, Schule, Rats- und Gerichtsstube zugleich." (Straub, S. 12.)
 
Ein Vergleich mit der romanischen und der gotischen Synagoge von Regensburg macht es durchaus vorstellbar, dass es sich bei dem Hallenbau der Ingolstädter Schutterkapelle mit ihren beiden Seitenschiffen und den gotischen Lisenen an den Giebeln um einen Synagogenbau des späteren 13. Jhs handeln könnte. (KS)
 
Für den Anbau des gotischen Ostchors bietet sich wohl der Zeitpunkt der Stiftung einer Messe und einer Kaplanstelle 1475 durch Herzog Ludwig den Reichen an. (KS)
 

 
Inhalt der Urk A 238 von 1397 im Stadtarchiv Ingolstadt:
Stephan, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog von Bayern, schenkt dem Rat und den Bürgern von Ingolstadt die Judenschule (= Synagoge) und den Judenhof, die durch Abzug der Juden mit etlichen anderen Häusern frei geworden sind, zum Bau einer Kapelle, die der Rat und die Bürger stiften. Von den von ihm gestifteten 3 ewigen Messen aus seiner Stadtsteuer von Ingolstadt, bisher an der dortigen Pfarrkirche, wird die eine, die derzeit Hans der Eseltreyber als ältester Kaplan innehat, dorthin verlegt, auch wird für den Kaplan zur Kapelle noch das Haus vermacht, das der Rigklinn gehört hatte, mit Zubehör und steuerfrei, als rechtes Eigen für die Stiftung.


Literatur:
  • Schuttermuttergotteskapelle ist eine Synagoge
    Leserbrief von Dr. Theodor Straub am 11.04.2007 im Donaukurier Ingolstadt
  • Straub, Theodor, Ingolstädter Gesichter, 750 Jahre Juden in Ingolstadt, 2000.
  • Hofmann, Siegfried, Geschichte der Stadt Ingolstadt, Bd. 1, 2000, S. 455-457.
  • Hemmeter, Karlheinz
    in: Denkmäler in Bayern, Stadt Ingolstadt Bd. 1, 2002, S. CLXXVI-IX.
  • Straub, Theodor, Juden in Ingolstadt, Eine Gedenkschrift, 1988
  • Die Regensburger jüdische Gemeinde und ihre Synagoge im Mittelalter,
    Mitteilungen der Freunde der Bayerischen Vor- und Frühgeschichte, Nr. 84.


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