5.0 Die Laufverlegung der Donau
- vom Wellheim-Eichstätter Albtal ins Schuttertal
5.1 Die Ursachen der Laufwechsels
5.1.1 Verlegung der Quellen flußaufwärts - allgemein - (rückschreitende Erosion)
- Tatsächlich war es nicht die Donau, die aktiv ihren Lauf verlegte, sondern - wie die Flußforscher entdeckten - ein kleiner Nebenfluß: die Schutter.
Wie kann aber ein Fluß, dessen Quellen östlich eines anderen liegen und der von ihm wegfließt (nach Osten - während die Donau nach Norden floß) den Hauptfluß umlenken?
- Antwort: durch Rückverlegung der Quelle (also entgegen der Fließrichtung) und zwar solange bis der Hauptfluß "angezapft" wird.
- Diese Rückwärtsverlegung geht zwar sehr langsam aber kontinuierlich vor sich und erreicht deshalb in geologischen Zeiträumen, d.h. in Zehn- oder Hundertausenden von Jahren sehr beachtliche Beträge.
Gebiete, in denen auf diese Art Flußläufe angezapft werden, nennt man auch sinnig "Anzapfungslandschaften" - eine Wortschöpfung, die auf ein Land wie Bayern, aus wohlbekannten Gründen (!) hervorragend paßt.
- Allerdings: So ganz wohl war manchen Landschaftsforschern (Geomorphologen) bei der Erklärung nicht: die kleine Schutter mit ihren geringen Wassermengen habe durch Rückschreiten ihrer Quelle den trennenden, harten Jurakalkriegel zum Albdonautal von Osten her durchnagt und dann die Donau an sich gezogen.
Schließlich erweckt die Talverengung = Schuttertor (150 m Breite auf 1,5 km Länge) am Anfang des Schuttertales nicht den Eindruck, daß hier ein so großer Fluß wie die Albdonau (normale Talbreite 300-500m) seinen Weg genommen haben könnte.
Außerdem erwies sich der Engtalabschnitt als frei von Donauschottern.
- Sollten vielleicht noch andere Vorgänge eine Rolle gespielt haben?
5.1.2 Der Einfluß der Verkarstung auf das Rückschreiten der Schutterquelle
5.1.2.1 Untersuchung des Schutterengtales
- 1988 untersuchten Forscher (siehe Literatur) durch eine Reihe von Flachbohrungen den Talboden.
Unter Ablagerungen der Nacheiszeit: Torf von 1,50-8,00 m Dicke (je nach Lage der Bohrstelle - am Talrand oder in Talmitte) fand man Sedimente der letzten Eiszeit (Würmeiszeit).
Die schwache Schutter konnte diese von den Hängen abgerutschten Schuttmassen nicht ausräumen sondern darin nur eine schmale Abflußrinne einschneiden.
Der tiefere Untergrund, die Jurafelssohle, konnte durch diese Bohrungen (bis maximal 12 m - Schlitzsonde) nicht erreicht werden.
Das versuchte man mit einer anderen Methode, der Hammerschlag-Seismik.
Dabei werden mechanische Erschütterungen in den Talboden ausgesandt und die zurückkehrenden "Echowellen" dieser "Minierdbeben" gemessen und analysiert.
- Es zeigte sich, daß der felsige Talboden starke Reliefunterschiede aufwies: Vertiefungen und Felsbuckel wechselten auf engstem Raum.
Als Mindesttieflage des Jurauntergrundes wurden gemessen: Am Anfang der Engtalstrecke: 19 m, in der Mitte 22 m, am Engtalende: 33 m.
Genaue Werte konnten wegen der Meßschwierigkeiten nicht ermittelt werden.
- Durch Auswertung der unterschiedlichen Laufgeschwindigkeiten der seismischen Wellen (Unterschiede je nach Art des durchlaufenen Materials) wurde eine "Füllung" der Vertiefungen im Felsuntergrund mit lockerem Material festgestellt (Sand?).
Die Vertiefungen und Schwellen unter der Talbodenoberfläche finden ihre Fortsetzung als buchtige Hohlformen an den Hängen.
Es muß also eine Reihe von Großdolinen vorliegen.
- Durch Vergleich mit ähnlich bekannten Karsthohlformen der Jurahochfläche der südlichen Frankenalb zwischen Wellheim und Neuburg lassen sich für die Füllung Sande und Tone der oberen Unterkreide (Festlandszeit) oder der Oberkreide (Meeresbedeckung) vermuten, die ja als "Neuburger Kieselkreide" im Tagebau in der Nähe gewonnen werden.
- Östlich des Engtals weitet sich das Tal von vorher 150 auf 500 m Breite bei der Sächenfartmühle und zieht - sich etwas verengend nach Meilenhofen.
Diese große Wanne mit ebenem Boden deuten die Forscher als "Polje", eine andere Karstform, ebenfalls aus der Unterkreidezeit.
5.1.2.2 Die Entwicklung des Schutterengtales
- An Schwächezonen und Störungen des Jurakörpers - entstanden als Folge von Hebungen, Senkungen, Abschiebungen, Verbiegungen sowie an Schichtfugen entwickelte sich ein Netz von Klüften und Spalten.
An diesen Schwachstellen konnte das kohlensäurehaltige Niederschlagswasser seine auflösende, erweiternde (und abtransportierende) Wirkung entfalten und zwar über riesige Zeiträume hinweg während des feuchtkühlen Klimas der Unterkreidezeit (Festlandszeit) vor 140-100 Millionen Jahren.
So entwickelten sich aus Klüften, Spalten und Schichtfugen immer größere wasserführende Karstgerinne und leiteten das Gelöste in die Tiefe.
- An besonders günstigen Stellen, z.B. an Kluftkreuzungen, konnten größere Hohlräume enststehen, die sich zu Höhlen erweiterten.
Durch Wachstum der Höhle nach oben kam es zum Einsturz des Höhlendaches und zur Bildung von Einsturzdolinen mit steilen Wänden.
- Dolinen treten an Schwächezonen manchmal in Scharen auf.
Dann können Dolinenreihen entstehen, die sich überschneiden und mit der Zeit zu einer Großdoline zusammenwachsen.
- Andere große Karsthohlformen von wannenartiger Form mit ebenen geneigten Boden und steilen Rändern sind "Poljen".
Sie scheinen sich aus Schüsseldolinen oder alten Flußtälern entwickelt zu haben.
Der ebene Boden besteht aus einer Sand-Lehmfüllung. Dadurch ist die Verkarstung unter dem Beckenboden gestoppt und wirkt vor allem in der Horizontalen duch "Seitenkorrosion".
Das Ergebnis ist Steilhangbildung an den Rändern. In manchen Poljen fließt ein Karstfluß, aus einem Steilhang entspringend, manche sind periodisch oder ganzjährig von Seen erfüllt.
- Die Ausfüllung der erwähnten Karsthohlformen mit Sanden und Tonen (Lockermaterial) erfolgte zunächst noch am Ende der Festlandsperiode der Unterkreidezeit (s.o.) und dann während der Meeresbedeckung in der Oberkreidezeit (vor 100-65 Millionen Jahren).
5.1.2.3 Rückwärtsverlegung der Karstquelle - Anzapfung und Umlenkung der Donau
- Die Anlage der Großdolinenreihe östlich der Albdonau war also die Vorraussetzung, daß der Fluß später den kürzeren Lauf über das Schuttertal einschlagen konnte.
Es kann sein, daß Versickerungswasser der Donau am Anfang des Schutterengtales in die Dolinenreihe eintrat, sie unterirdisch durchquerte und als starke Karstquelle am Beginn der Polje westlich der Sächenfartmühle wieder heraussprudelte.
Mit dieser starken Quelle konnte die Schutter östlich davon die lockeren kreidezeitlichen Füllungen der Polje bis Meilenhofen sowie die sandig-tonigen Tertiärfüllungen (Molasse) ab Nassenfels breit ausräumen (Talerweiterung ab Nassenfels nach Osten).
Die besonderen klimatischen Bedingungen während der ca. 2 Millionen Jahre dauernden Eiszeitenfolge (mehrfacher Wechsel von Warm- und Kaltzeiten - Vegetationsarmut in Kaltzeiten - Karstwasserfluß auch in Kaltzeiten bei nicht zu tiefen Temperaturen) haben die Ausräumung der wenig widerstandsfähigen Dolinenfüllung sicher begünstigt.
- Auf jeden Fall muß die Karstquelle der Schutter immer weiter nach Westen zurückverlegt worden sein.
Schließlich lag sie in der vorletzten Eiszeit (Rißeiszeit), also vor ca. 150 000 bis 200 000 Jahren unmittelbar östlich der Donau.
Die Folge war, daß die Albdonau nun oberirdisch angezapft und in das Schuttertal umgelenkt wurde.
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- In dieser Phase erhält sie den Namen "Schutterdonau".
- Nun wälzte sie ihre Wassermassen in Richtung Ingolstadt und nahm die schon längst von ihren kleinen Nebenflüssen geschaffene Weltenburger Enge in Besitz.
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5.2 Der Lauf der Schutterdonau
5.2.1 Alpine Schotter als Beweise
- Belege für den Lauf der Donau durch das Schuttertal liefern Bohrungen im Talboden.
- Bei Meilenhofen z.B. liegen unter 5 m starken Lehm- und Torfablagerungen der Nacheiszeit (ab 10.000 Jahre vor heute) und sandig, tonig, torfigen Sedimenten der letzten Eiszeit (Würmeiszeit: vor 100.000 -10.000 J.) ab 7 m Tiefe Donaukiese (Alpengesteine!) der Rißeiszeit (200.000-130.000 J.).
Weitere Donauschotter aus dieser Zeit wurden jahrelang aus Baggerseen im Schuttertal zwischen Buxheim und Mühlhausen gefördert, ebenso nördlich der Straße Buxheim - Gabelholz südlich des Hessenhofs.
5.2.2 Schotterterrassen als Zeitmarken
- Die erwähnten Schotter im Schuttertal - meist tief unter dem heutigen Talboden gelegen - gehören zur 7 m Hochterrasse der Albdonau und wurden von ihr am Ende des 1. Abschnitts der Rißeiszeit abgelagert (=drittletzte Eiszeit).
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- Der Laufwechsel muß allerdings schon früher, zur Ablagerungszeit einer höheren - der 14 m Hochterrrasse - erfolgt sein.
- Diese Terrasse erfüllt das Albdonautal ab der Anzapfungsstelle über Eichstätt bis Kelheim und liegt tief unter dem heutigen Talboden auf dem Felsuntergrund.
- Eine gleiche 14 m Hochterrasse der rißeiszeitlichen Donau findet sich östlich von Ingolstadt zwischen Großmehring und Menning.
Also muß die Albdonau vor Ende dieser Aufschüttungsphase ihr Tal gewechselt haben.
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5.3 Folgen der Laufänderung - Ausblick
- Damit war eine fast 5 Millionen Jahre währende Flußzeit der Donau in der Südlichen Frankenalb zuende, in der sie ein großartiges Tal von Rennertshofen und Eichstätt bis Kelheim geschaffen hatte - 119 km lang.
Nun war ihr Lauf verkürzt auf 75 km (von Rennertshofen über Hütting - Ingolstadt nach Kelheim.
- Diese große Laufänderung hatte natürlich Folgen.
Zunächst nahm die Altmühl wieder "ihr" Tal ab Dollnstein in Besitz.
Aber: man sieht es noch heute: es ist ihr um einige Nummern zu groß.
"Sie schlottert darin, wie ein Bub in Großvaters Hosen", witzelt ein Geograph darüber.
Außerdem: auch sie konnte - wie die Schutter - die in der letzten Eiszeit anfallenden Hangschuttmassen mit ihrer schwachen Strömung nicht beseitigen.
Die Folge war eine Verschüttung des Tales.
Die Oberfläche der 14 m Hochterrasse - der letzten Donauschotter im Albtal - liegt bis zu 11 m unter späteren Ablagerungen.
- Schließlich hatte die Donau durch die starke Laufverkürzung um 44 km erheblich an Gefälle gewonnen.
Das wirkte sich vom tiefsten Punkt ihres jetzigen Laufes - von Kelheim an -flußaufwärts nach dem Gesetz der rückschreitenden Erosion aus (von Kelheim bis südlich Rain am Lech = 30 km oberhalb der Anzapfungsstelle am "Schuttertor"):
- Die vorher gelagerten Terrassenschotter wurden aufgrund der gesteigerten Strömungsgeschwindigkeit des Flusses größtenteils ausgeräumt z.B. die 14 m Hochterrasse vom Schuttertal bis Weltenburg (Ausnahme: Großmehring - Menning).
Die Aufschüttung der folgenden Terrassen fand danach auf tieferem Niveau statt (7 m Hochterrasse der "Schutterdonau").
- Heinrich Niedermeier, 1995
- Weiter mit: Vom Schuttertal ins heutige Tal
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