Logo Kurt Scheuerer Wissensspeicher zur Geschichte von Ingolstadt  
Ludwig Lang:
Versteinerter Wald
Ausstellung im Bauerngerätemuseum Ingolstadt-Hundszell

Zur Forschungsgeschichte

Grundlegend für die Erforschung versteinerter Pflanzen wurden die Ordnungssysteme der Franzosen Magnol und Tournefort, insbesondere aber des Schweden Karl von Linné (1710 - 1778).

Die Beschäftigung mit Pflanzenfossilien in Bayern begann im ausgehenden 18. Jahrhundert.
Bei seiner "Beschreibung der Gebirge von Baiern und der oberen Pfalz mit den darin vorkommenden Fossilien" erwähnt FLURL (1792) versteinerte Hölzer aus der Oberpfalz und die Moorhölzer aus dem Donaumoos.

Die häufig vorkommenden Baumreste aus dem Tertiär der Region um Ingolstadt würdigt ausführlich SCHÄRL (1794) in seiner Arbeit über die "Versteinerungen des Holzes" für die Bayerische Akademie der Wissenschaften.

Knapp hundert Jahre später, um 1882, liefert FELIX die erste wissenschaftliche Beschreibung eines verkieselten Holzes unter Einbeziehung mikroskopischer Zellstrukturen anhand von Material aus Wagenhofen.
Drei Jahrzehnte früher (1859) liegt die Veröffentlichung des Schweizer Botanikers HEER über versteinerte Blätter.
Der erste Nachweis versteinerter Palmenreste aus der bayerischen Molasse gelang 1956 mit fossilem Material aus dem Schrobenhausener Forst durch MÄGDEFRAU.
Seit 1956 wurden außerdem von SELMEIER eine Reihe holzanatomischer Untersuchungen an Fossilien auch aus dem Bereich Ingolstadt - Neuburg - Eichstätt publiziert, darunter viele Erstbeschreibungen.
Die Region wurde damit zu einem Begriff in der Paläobotanik.

Unscheinbare Anfänge

Silur, vor rund 400 Mio. Jahren

Pflanzliches wie tierisches Leben war zu Beginn der Evolution auf das Element Wasser beschränkt.
Erst gegen Ende des Silur, vor rund 400 Millionen Jahren, beginnt die pflanzliche Besiedelung des Festlandes, das bis dahin nur sporadisch mit Bakterien und Algen bedeckt war.
Die Pflanzen erschließen sich damit ein neues Element, die Luft.

Die Eroberung des Landes bedingt Anpassungen am Pflanzenkörper. Die "arbeitsteilige" Differenzierung des pflanzlichen Gewebes nimmt zu: Abschlußgewebe mit verdickter Außenwand (Kutin) bildet sich als Verdunstungsschutz. Es kommt zur Abdichtung des Zellkörpers selbst und zur "Erfindung" verschließbarer Poren und Spaltöffnungen.

Nicht zuletzt beginnt die Entwicklung von Stützgewebe (Lignin) als Voraussetzung zur Überwindung der Schwerkraft. Der Wuchstyp Baum nimmt seinen Ursprung.

Allerdings erreichen die ersten Landpflanzen erst eine maximale Wuchshöhe von 50 Zentimetern. Sie wachsen krautartig, nur aus Stengeln bestehend. Sie weisen noch keine Gliederung in Wurzeln, Stengel und Blätter auf.

Aus abgestorbenen Pflanzen, Mikroorganismen, Bakterien, Flechten und Pilzen bildet sich Humus als Grundlage für alles höher entwickelte pflanzliche Leben.

Die ersten Bäume

Devon, vor 400 - 350 Mio. Jahren

Eine zunehmende Erwärmung ist der Entwicklung der Pflanzenwelt förderlich. Im Raum des heutigen Deutschland liegen die mittleren Jahrestemperaturen schließlich um mehr als 15º Celsius höher als heute.

Das Rheinland besitzt besonders viele Fundstellen aus dieser geologischen Zeitspanne. Als feucht-warmer Lebensraum in Äquatornähe und an einem Meer gelegen weist es Inseln, Riffe, Lagunen und Küstensümpfe auf.

Die Küstensäume und feuchten Niederungen werden von Gefäßpflanzen und zunehmend von Ur-Bärlapp, Schachtelhalm, Ur-Farn und Ur-Samenpflanzen besiedelt.
Es entwickeln sich mehrere Meter hohe Bäume.
Aus abgestorbenen Pflanzen bilden sich erste Torfe. Es beginnt der Übergang zur Urwaldflora der nachfolgenden Karbonzeit.

Mit den Schachtelhalmen entwickelt sich ein besonderer Stammtyp, der "Markstamm" der Calamiten. Hier wird das Innere von einer großvolumigen Markhöhle gebildet. Rinden- und Leitgewebe liegen außen, so dass der Stamm die Statik einer Röhre hat.
Im darauffolgenden Karbon erreichen die Calamiten mit ihrer Konstruktion eine Höhe bis zu 20 Metern.

Steinkohlewälder

Karbon, vor 350 - 285 Mio. Jahren

Das Klima ist geprägt von gleichmäßig über das Jahr verteilten hohen Niederschlägen. Die mittlere Jahrestemperatur liegt bei über 19º Celsius und damit um 10º Celsius höher als heute.

In den Sümpfen des Binnenlandes und an den Küsten wachsen auf abgestorbenen Pflanzenresten Riesenformen von Farnen, Farnsamern und Schachtelhalmen.
Mächtige Bäume mit einer Höhe von bis zu 30 Metern dominieren den Karbonwald: die den Bärlappgewächsen zugehörigen Schuppen- und Siegelbäume sowie die Cordaiten als Vorläufer der Nadelbäume. Schließlich treten die ersten Koniferen auf.

Schuppen- und Siegelbäume weisen einen von unseren heutigen Bäumen abweichenden Stammtyp auf, den "Rindenstamm". Holz und Mark sind hier nur in geringem Maße am Stammvolumen beteiligt. Seine Hauptmasse wird durch Rinde gebildet. Ihr Anteil am Stammvolumen liegt bei 90 %, während er zum Vergleich bei unserer Fichte nur rund 13 % ausmacht.

Ein weiterer Stammtyp tritt mit dem "Wurzelstamm" des heute noch existierenden Baumfarns auf. Die Festigkeit gebenden Elemente sind hier nach außen verlagert. Die Stützfunktion übernimmt ein dicker Wurzelmantel, der am Stamm entlang bodenwärts läuft. Das Dickenwachstum älterer Stämme geht allein auf das Anschwellen des Wurzelmantels zurück. Der Wurzelstamm erlaubt Baumhöhen bis zu 25 Metern.

Erste Nadelwälder

Perm, vor 285 - 225 Mio. Jahren

Im Perm vereinigen sich die Urkontinente für kurze Zeit zu einer einzigen Erdmasse (Pangäa). Europa liegt zu dieser Zeit nahe am Äquator. Im Laufe des Perm teilt sich der Urkontinent in eine nördliche und eine südliche Hälfte, und im Zuge dieser Teilung wandert Europa nordwärts.
In der Folge bilden sich von einander getrennte Florenprovinzen mit eigenen Pflanzengemeinschaften.

Das Klima verändert sich in Europa, es wird wahrscheinlich sogar wüstenartig trocken. Auch ist verstärkter Vulkanismus nachweisbar.
Pflanzen wie Schuppen- und Siegelbäume, die sich den neuen Bedingungen nicht anpassen können, sterben aus.

Gewinner sind Pflanzen mit entwickelten Schutzvorrichtungen wie eingesenkten Spaltöffnungen mit Papillen als Verdunstungsschutz oder mit Sonnen- und Schattenblättern.
Auch die Koniferen entfalten sich nun artenreicher. Es bilden sich die ersten Nadelwälder.

Allerdings hält sich in wasserreichen Mulden eine vielfältige Flora mit Schachtelhalmen, Farnen und Farnsamern. Hier können sich immer noch Steinkohlen bilden.

Zeitalter des Übergangs

Trias, vor 225 - 195 Mio. Jahren

Der Beginn des Erdmittelalters bringt im heutigen Europa ein ausgeglichenes Klima ohne größere jahreszeitliche Schwankungen.

Die Planzenwelt erfährt erneut eine grundlegende Umgestaltung. Pflanzen der Trockenvegetation, die zu Beginn der Trias noch dominieren, fehlen am Ende des Zeitalters. Die Flora leitet nahtlos an die des darauffolgenden Jura über.

Die Artenzahl der Koniferen nimmt wiederum zu. Auch Gingkobäume und Palmfarne treten verstärkt auf.

Mit dem "Blattfußwurzelstamm" entwickelt sich ein weiterer Stammtyp. Bei dieser Stammkonstruktion bleiben die Basen abgefallener Wedelblätter erhalten und verstärken zusammen mit Adventivwurzeln den aus Mark, Markstrahlen und etwas Sekundärholz bestehenden Stamm. Noch heute ist dieser Stammtyp bei den Zycadeen verbreitet.

"Jurassic Parc"

Jura, vor 195 - 140 Mio. Jahren

Das Zeitalter des Jura war weltweit durch extreme Meeresvorstöße gekennzeichnet. Auch große Teile des heutigen Bayern werden phasenweise überflutet. Insgesamt ist das Klima ausgeglichen und warm.

Die Pflanzenwelt des Jura ist von Koniferen, Gingkobäumen, Palm- und Blumenfarnen geprägt. Erstmals erscheinen die den Koniferen zuzuordnenden Araukarien. Unsere Zimmertanne ist ein heutiger Vertreter dieser Gattung.

Der Boden aber ist immer noch erst lückenhaft von Pflanzen bedeckt. Gräser werden erst über 100 Millionen Jahre später entstehen. Pflanzenfressende Saurier mußten sich also von Wasserpflanzen, Koniferen, Schachtelhalmen, Farnen und unterschiedlich giftigen Palm- und Blumenpalmfarnen ernähren.

Gegen Ende des Jura deutet die Zusammensetzung der Flora auf halbwüstenartiges Klima hin, mit Temperaturen von 30º Celsius im Jahresmittel.

Blüten und Früchte

Kreide, vor 140 - 65 Mio. Jahren

Während der Kreide beginnt die Pflanzenneuzeit.
Die Herausbildung eines neuen Pflanzentyps, der Bedecktsamer (Angiospermen), hat weitreichende Folgen für das gesamte Leben auf der Erde.

Kennzeichen der neu entstehenden Pflanzen sind ihre Blüten, Pollen, Früchte und Blätter. Das Klima, in dem sich diese Pflanzen entwickeln, gleicht dem jetzigen in Florida, Kuba oder auf Malaysia.

Eine von mehreren Erklärungsversuchen für das Aussterben der Saurier in diesem Zeitalter besagt, dass die pflanzenfressenden Saurier sich nicht auf das Auftauchen der Blütenpflanzen umstellen konnten, ausstarben und somit auch den fleischfressenden Sauriern die Nahrungsgrundlage fehlte.

Vor ungefähr 70 Millionen Jahren entwickelte sich der letzte Stammtyp der Bäume, der schlanke und extrem biegsame Stamm der Palmen.
Er ist vergleichbar einem Kabelstrang aufgebaut. Im Grundgewebe sind über den gesamten Stammquerschnitt viele Einzelstränge des Leitgewebes verteilt.

Moderne Zeiten

Tertiär, 65 - 2 Mio. Jahren

Laubbäume, Gräser und Kräuter enfalten sich nun vielfältig, was die dynamische Entwicklung der Säugetiere in diesem Zeitalter begünstigt. Auch die Braunkohlelager am Niederrhein, in der Lausitz, in Hessen und Tschechien sowie der Oberpfalz entstehen nun.

Während des Tertiär kommt es allmählich zu einer Abkühlung des Klimas. An die Stelle der Urwälder des Alttertiär bei einem Jahresmittel von mehr als 17º Celsius treten gegen Ende des Miozäns großflächige Savannen mit gemischtem Gras-/Baumbewuchs bei einer auf 11º Celsius abgekühlten Jahrestemperatur.

Quartär, seit 2,4 Mio. Jahren

Gegen Ende des Tertiär sinkt im Pliozän die Jahrestemperatur noch weiter ab und leitet zu den Eiszeiten des Quartär über, das vor rund 2,4 Millionen Jahren beginnt.
Während der sechs Vereisungszyklen prägen nordische Nadelwälder und arktische Tundren das Landschaftsbild. In den Zwischeneiszeiten herrschen aber durchaus Klimaverhältnisse, die unseren heutigen entsprechen.
Anders als in Nordamerika können die Pflanzengesellschaften in Europa nicht nach Süden auswandern, so dass die Eiszeiten eine relativ verarmte Flora in Europa hinterlassen.

Wie geht es weiter?

Die Frage, ob wir uns derzeit in einer weiteren Zwischeneiszeit befinden, werden wir wohl schon in 700 000 Jahren beantworten können.
Die Frage nach der weiteren Entwicklung der Pflanzen, ob etwa der Wuchstyp Baum überholt ist und zu Gunsten der Kräuter und Gräser zurücktritt, wohl erst in einigen Millionen Jahren.
Man darf gespannt sein.

Ludwig Lang


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