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Tafeltext zur Ausstellung:
Vom Werden einer Stadt - Ingolstadt seit 806
Vom Kammergut zur Stadt

 
Der Rathausplatz, ehemals Hauptmarkt der Stadt, ist von besonderer Bedeutung, wenn es um die Suche nach Spuren der Karolingerzeit in der Altstadt geht. Denn er liegt auf dem kürzesten Weg zwischen der Moritzkirche mit dem angenommenen Herrenhof und der Niederung von Schutter und Donau. Das Flussufer reichte noch im frühen 14. Jahrhundert bis an die Südgrenze des Platzes heran. Der Neubau des Hauptgebäudes der Sparkasse am Südabschluss des Platzes und die Umbaumaßnahmen am Neuen Rathaus machten 2004 Untersuchungen im östlichen Teil des Platzes notwendig. 2005 erfolgte vor seiner Neupflasterung eine großflächige Ausgrabung.

Obwohl die Bauarbeiten den Umfang der archäologischen Ausgrabungen vorgaben, betrafen die Bodeneingriffe in weiten Bereichen auch die ältesten Befundschichten, also die frühesten erhaltenen Siedlungsspuren. Es handelte sich um eine größere Anzahl von 10-25 cm breiten Gräbchen vor der Front des Alten Rathauses.

Es waren wohl Fundamentgräbchen für Schwellbalken, auf denen Holzhäuser errichtet waren, wie sie das Bild Ingolstadts bis ins späte Mittelalter hinein prägten. Ihre kiesige Verfüllung war mit Knochen sowie Buntmetall- und Eisenschlacke durchsetzt. Die Gebäudespuren gehören sehr wahrscheinlich in die Zeit vom späten 10. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts. Baustrukturen oder Funde aus der Karolingerzeit haben sich nicht eingestellt.

Ein Bündel mutmaßlicher Fahrspuren, die etwa sieben Meter weiter südlich zum Vorschein kamen, wird von den Ausgräbern ebenfalls den ältesten Befunden aus der Zeit vor der Stadtwerdung zugeschlagen. Pfostenspuren und grubenartige Befunde belegen eine mittelalterliche Holzbebauung auch am Westrand des Platzes, wo heute die Fahrbahn verläuft. Die mittelalterliche Fahrbahn dürfte wohl durch das ehemalige Südtor der Stadt, das Spitaltor, geführt haben. Die Pfosten einer Brücke in der Flussniederung wurden beim Neubau der Sparkasse angetroffen.

Im 13. Jahrhundert tritt der Marktplatz vor dem heutigen Alten Rathaus durch eine Pflasterung aus Flusskieseln in Erscheinung.

Es handelt sich um eine Fläche von nur begrenzter Ausdehnung, wie bei dem deutlich älteren Markplatz in Ulm, der eine Pflasterung von 20 x30m besaß. Als der Rathausplatz am 14. Februar 1312 erstmals als Salzmarkt urkundlich überliefert wird, ist die hier geschilderte Entwicklung noch nicht zum Abschluss gekommen. Es folgten noch weitere Zwischenschritte, bis der heutige Zuschnitt des Platzes erreicht war. Denn die Ausgrabungen legten neben drei Erdkellern die Spuren von mehreren Pfostenbauten und einem Brunnen frei. In einem begrenzten Bereich im Nordosten desPlatzes wurden Öfen in das Pflaster eingetieft. Insgesamt konnten nicht weniger als ca. 30 Öfen untersucht werden. Zwischenden Öfen befand sich eine größere Menge von verkohlten Getreidekörnern. Sie legt deren Verwendung als Backöfen nahe.

Die schriftliche Überlieferung nennt neben dem Salzhandel Metzger, Krämer und das große städtische Lagerhaus als Elemente des Wirtschaftslebens am Platz. Durch die Archäologie kommen Bäkkerhandwerk und offenbar auch Metallverarbeitung hinzu. Funde oder Baustrukturen, die sicher ins 15. Jahrhundert datiert werden können, fehlen bei den Ausgrabungen auf dem Platzareal. Daraus lässt sich erschließen, dass damals die Bebauung südlich des Rathauses verschwunden ist und der Salzmarkt seine heutige Ausdehnung erreicht hat.

Zusammenfassend lässt sich der Siedlungsbeginn auf dem Rathausplatz mit Sicherheit in die Mitte des 12. Jahrhunderts, möglicherweise auch noch ins 11. Jahrhundert datieren. Nun wird die Vielschichtigkeit der frühstädtischen Entwicklung ersichtlich. Die Ergebnisse der Ausgrabungen geben den Interpretationen der Stadtgeschichtsforscher zusätzliches Gewicht, wonach die Siedlung um die Moritzkirche bereits Generationen vor der Stadtwerdung den Charakter einer Minderstadt hatte. Diese unerwartet gute Erhaltung der Bodendenkmäler ist aber auch ein Beleg dafür, dass Funde oder Siedlungsreste des 9. und 10. Jahrhunderts eigentlich hätten gefunden werden müssen, wenn sie einst vorhanden gewesen wären. Darin gleichen sich die Ergebnisse der Grabungen vom Rathausplatz, aus der Moritzstraße 17 und der Theresienstraße 9 westlich sowie vom Zehenthof östlich der Moritzkirche. Auch hier blieben ältere Siedlungsspuren aus.

Die auffällige Fundarmut der frühesten Siedlungsspuren warnt jedoch vor vorschnellen Schlussfolgerungen. Für das 11./12. Jahrhundert mehren sich die Hinweise auf eine breiter gestreute Besiedlung, in der südlich von St. Moritz offenbar auch handwerkliche Tätigkeiten ausgeführt wurden. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts arbeiten Handwerker auch unmittelbar westlich des wenig später errichteten Alten Schlosses. Der erstmals schriftlich überlieferte Brückenzoll und der archäologisch nachgewiesene Marktplatz zeigen den Prozess der Stadtwerdung an. Seit der Mittedes 13. Jahrhunderts belegen Ämter, Privilegien, Stadtumwehrung und Schloss, dass Ingolstadt nun eine herzogliche Stadt ist.

Textgrundlage: Katalog zur Ausstellung, Gerd Riedel, S. 142-149.


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