- villae […] quarum nomina sunt Ingoldestat et Lutrahahof, […] ad pagum, qui dicitur Northgowe
- Wie Ingolstadt kann auch Lauterhofen (Landkreis Neumarkt i. d. Opf.) heuer das 1200jährige Jubiläum seiner Ersterwähnung in der Divisio Regnorum Karls des Großen feiern. Der Lauf der Geschichte kann verschiedener wohl kaum sein – während sich Ingolstadt zur Großstadt und zum wichtigen Wirtschaftstandort entwickelte, ist Lauterhofen heute ein Marktort. Doch im Gegensatz zu Ingolstadt, wo die archäologische Forschung die genaue Lokalisierung der karolingischen Curtis bislang schuldig geblieben ist, lassen sich historische Topographie und frühmittelalterliche Entwicklung des kleinen Ortes ansatzweise erschließen.
- Der Raum nördlich der Donau um die Flüsse Naab, Vils und Lauterach geriet ab der späten Merowingerzeit zunehmend in das Blickfeld unterschiedlicher Machtfaktoren. Deren Vertreter folgten mutmaßlich nicht allein kolonialistischen Prinzipien im Sinne von „agrarischem Landesausbau“, sondern hatten daneben auch wirtschaftspolitische und militärische Interessen, soweit sich diese überhaupt voneinander trennen ließen. In dieser Gegend trafen ab dem späten 7. und frühen 8. Jahrhundert herzoglich-agilolfingische Machtbestrebungen auf fränkisch-karolingische Ansprüche, zu denen durch die Reichsbildung in Böhmen und Mähren ein dritter Machtfaktor kam. Grund für diese herrschaftlichen Anstrengungen waren wohl die geostrategische und verkehrsgeographische Lage der Region, vermutlich aber auch deren reiche Bodenschätze in Form von hochwertigen Eisenerzen.
- Während des 9. Jahrhunderts dürfte Lauterhofen ein wichtiger Stützpunkt der Verwaltung des Raums durch die mächtigen Nordgaugrafen gewesen sein. Noch in ottonischer und salischer Zeit behielt der Raum seine reichspolitische Dimension.
- Der heute etwa rund 3800 Einwohner zählende Ort liegt im Bereich der mittleren fränkischen Alb, nur wenig östlich der Lauterachquellen am Eingang des sich flussabwärts stark verengenden Lauterachtals. Am östlichen Ortrand mündet der heute obertägig nicht mehr sichtbare Bach „Saugraben“ von Süden her in die Lauterach. Lediglich in diesem Bereich ist das Tal leicht kesselartig erweitert, so dass die zu erschließenden Ackerfluren offenbar östlich bzw. westlich abseits der frühmittelalterichen Hofstellen zu vermuten sind. Die Böden der karstigen Gegend sind überwiegend steinreich und wenig fruchtbar, das jährliche Niederschlagsmittel vergleichsweise niedrig. Man kann also, ganz im Gegensatz zu Ingolstadt, nicht unbedingt von einer siedlungsgünstigen Lage des Ortes sprechen.
- Lauterhofen kam jedoch durch seine verkehrsgeographische Lage an den wichtigen frühmittelalterlichen Fernwegen vom Raum Würzburg-Forchheim-Fürth nach Regensburg sowie den West-Ost-Routen von den fränkischen Altsiedellandschaften nach Böhmen zugute. Zugleich lag der Königshof in unmittelbarer Nähe zum bedeutenden fränkischen Herrschaftsmittelpunkt auf der Burg Sulzbach.
- Lauterhofen war etwa ab der Mitte des 8. Jahrhunderts ein regionalerHauptort ausgedehnten Fiskalgutes. Mehrere mittelalterliche Bestattungsplätze, die über das gesamte heutige Ortsgebiet streuen, zeigen unterschiedliche Siedlungskerne an. Die Besitz- und Siedlungsverhältnisse aus dem Frühmittelalter lassen sich wahrscheinlich noch durch die Besitzstruktur des Dorfes im 19. Jahrhundert erschließen. Der bajuwarische Hofbezirk, zu dem das Gräberfeld des späten 7./frühen 8. Jahrhunderts nördlich des Ortskerns gehört haben dürfte, ist am Westrand des Ortes im Bereich des hoch- und spätmittelalterlichen Herrensitzes „Oberlauterhofen“ und der angrenzenden Hofstelle „Steinbauer“ zu lokalisieren. Zur herzoglichen Curtis könnte eine Mühle am Platz der bis in jüngste Zeit bestehenden „Ratzenmühle“ gehört haben. Die Ackerfluren der bajuwarischen Hofstätten haben offenbar in verhältnismäßig günstiger Lage südlich und westlich der Höfe beiderseits einer Altstrassentrasse in der Flur „Im Grund“ gelegen.
- Spätestens Mitte des 8. Jahrhunderts ist mit der Etablierung des fränkischen Königshofes zu rechnen. Für diesen wählten die Franken den östlichen Rand des heutigen Ortes südlich der Lauterach und östlich des Saugrabens im Ortsteil „Zipfel“. Die westlich gelegene Flur des Königshofs übertraf die der älteren bajuwarischen Siedlung deutlich an Größe. Allerdings mussten sich die fränkischen Bauern offenbar mit den Ackerfluren in weniger guter Lage zufrieden geben, die bis dahin noch nicht in Nutzung standen. Als wesentlicher Bestanteil des fränkischen Königshofe wurden 1962 bis 1964 die Reste der ehemaligen Kirche St. Martin und Teile des anschließenden Friedhofs mit Steinplatten- und Steinsetzungsgräbern ausgegraben.
- In Lauterhofen entwickelten sich somit während des späten 7./ frühen 8. Jahrhunderts mindestens zwei benachbarte Siedlungen mit ‘bajuwarischem’ und ‘fränkischen’ Bevölkerungsanteil, wobei die ‘fränkische’ Siedlungseinheit mit dem karolingischen Königshof, dem älteren, bajuwarischen Hofbezirk „aufgepfropft“ worden wäre.
- Textgrundlage: Katalog zur Ausstellung, S. 106-111.
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