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Tafeltext zur Ausstellung:
Vom Werden einer Stadt - Ingolstadt seit 806
Ingoldesstat im neuen Imperium Romanum

 
Karl der Große, König der Franken, wurde am 25. Dezember 800 in Rom von Papst Leo III. zum römischen Kaiser gekrönt. Die Reichsteilungsurkunde (Divisio regnorum) aus dem Jahr 806, die „Ingoldesstat“ erstmals erwähnt, ist in der damaligen Amtssprache Latein verfasst. Das Kammergut Ingoldesstat lag damit nicht nur im Nordgau von Baiovaria, sondern zugleich im neuen Imperium Romanum.

Das alte Römische Reich hatte sich mehr als drei Jahrhunderte zuvor als ordnende Kraft aufgelöst. In den Provinzen westlich des Rheins und südlich der Donau hinterließ es trotz der großen Zerstörungen und jahrzehntelangen Wirren eine durch die Römer geprägte Kulturlandschaft. Im frühen Mittelalter hatte sich aus dem Zusammentreffen spätantiker Traditionen und der germanischen Kultur eine neue Grundlage herausgebildet, auf der sich das moderne Mitteleuropa entwickelte.

Die Region um Ingolstadt liegt geographisch seit alters her am Schnittpunkt wichtiger Verkehrswege. In der Zeit vor der römischen Besetzung hatte die über Land führende Nord-Süd-Verbindung vom norddeutschen Küstenraum bis in die Alpenregion große Bedeutung. Im Ingolstädter Becken war die breit mäandrierende Donau über Furten vergleichsweise leicht zu überqueren. Eine bedeutende Ost-West-Verbindung bildete neben dem Strom in römischer Zeit die Donausüdstraße. Die Geschichte Ingolstadts ist durch diese strategische Lage am Kreuzungspunkt wichtiger europäischer Verkehrsrouten geprägt.

Das historische, mittelalterliche Ingolstadt selbst besitzt keine römischen Wurzeln. In unmittelbarer Nachbarschaft der Stadt liegen jedoch bedeutende römische Orte wie Kösching, Oberstimm und Nassenfels sowie der Limes. Zahlreichen römischen Denkmäler befinden sich im heutigen Gebiet der Stadt beiderseits der Donau, darunter allein vier römische Truppenlager und über 15 römische Villen.

Zwei Truppenlager in Zuchering-Seehof stehen am Beginn und am Ende der römischen Präsenz im heutigen Stadtgebiet von Ingolstadt. Das Lager I entstand schon vor der Gründung des Auxiliarkastells Oberstimm um 40 n. Chr. Die kleine Besatzung des Seehofer Burgus – wahrscheinlich germanische Söldner – kontrollierte im 4. Jahrhundert die wieder an die Donau zurückverlegte Reichsgrenze.

Hier zeigten sich zudem bei Ausgrabungen neben der römischen Donausüdstraße die Fahrspuren einer mittelalterlichen Straße – beide parallel zur neuen B 16. Dadurch wird deutlich, dass die germanische Bevölkerung die römischen Straßen mit ihrem komplizierten Aufbau des Straßenkörpers und der gepflasterten Oberfläche zwar nicht weiterhin in Stand hielt, dass sie jedoch die alten Trassen als Leitlinien für den Verkehr beibehielt.

Die Frage der Sicherung des großen Einfallstores ins Binnenland der Provinz Rätien durch das Ingolstädter Becken während der Spätantike bleibt bis heute ein ungelöstes Forschungsproblem. An kaum einer anderen Stelle war die Donau über Furten einfacher zu überqueren als hier. Das im Verlaufe des 3. Jahrhunderts kältere undtrockenere Klima mag zudem die Überquerung der moorigen Niederung sogar erleichtert haben. Nördlich des Flusses bei Etting siedelten mit Blick über das weite Donautal jedenfalls bereits um 300 n. Chr. germanische Siedler, wie eine 1999 freigelegte Grabgruppe belegt. Der Friedhof lag damals unweit der Ruine einer Villa rustica, in deren Umgebung auch die zu den Gräbern gehörende Siedlung zu suchen ist. Bei einer Vielzahl der mittlerweile rund 60 bekannten germanischen Fundplätze im nördlichen Oberbayern lässt sich ein Bezug zu römischen Ruinen, d. h. Kastelle und Villae rusticae, erkennen.

Die fruchtbaren Böden sowie die Infrastruktur nördlich der Donau wurden von den Römern wohl nicht einfach aufgegeben. Die neuen Siedler waren Föderaten (foederati), die aufgrund von Bündnisverträgen mit Rom Heeresdienst leisteten oder sich freiwillig mit Zustimmung der rätischen Provinzverwaltung niederließen. Unter anderem bewirtschafteten sie das Land zur Versorgung der römischen Gebiete südlich der Donau und stellten Rekruten für das römische Heer. Traditionell als rhein-wesergermanisch, elbgermanisch und ostgermanisch bezeichnetes Fundmaterial aus Siedlungen und Gräbern gibt Auskunft über die Herkunft der neuen Siedler nördlich der Donau. Nach ca. 200jähriger Siedlungsphase wurden im 5. Jahrhundert die Siedlungen aufgelassen. Es kam anscheinend zu Siedlungsverlagerungen. Diese „Zeit des Wandels“ steht am Beginn der Geschichte Bayerns.

Textgrundlage: Katalog zur Ausstellung, S. 16-27.


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