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Dr. Theodor Straub:
„INGOLDESSTAT” ZUR KAROLINGERZEIT
Ingolstadt im 8. und 9. Jahrhundert

 

788 Der letzte bajuwarische Stammesherzog aus dem Haus der Agilolfinger, Tassilo III., wird auf dem Hoftag in Ingelheim wegen angeblichen Hochverrats abgesetzt, zum Tode verurteilt und zu lebenslanger Klosterhaft „begnadigt". Durch den Heimfall des als fränkisches Lehen betrachteten Herzogtums Bayern werden mitsamt dem ganzen bayerischen Nordgau auch die beiden agilolfingischen Herzogshöfe Ingolstadt und Lauterhofen zu karolingischen Königshöfen.

806 Was lässt sich der sogenannten „Reichsteilungurkunde" von 806
für die Geschichte Ingolstadts entnehmen?

Zunächst: Es handelt sich nicht um eine „Reichsteilung" des gerade fünf Jahre alten karolingischen Kaiserreichs, sondern um eine Nachfolgeregelung für den Fall des Ablebens des Kaisers Karls d. Gr.

Es handelt sich vielmehr um die Vermeidung einer Reichsteilung (und von eventuellen Nachfolgekämpfen) durch die reichsrechtliche Festlegung einer Nutzungs- und Verwaltungsteilung des Gesamtreiches in drei Königreiche oder Provinzen unter die drei Söhne des Kaisers, Ludwig, Pippin und Karl. Da zwei der drei Söhne aber vor dem Kaiser starben, trat diese Regelung nie in Kraft.

Die Königshöfe Ingolstadt und Lauterhofen werden als Bestandteil des dritten Königreichs, der Provinz König Karls, des nördlichen West- und Ostfrankenreichs einschließlich des bayerischen Nordgaus, betrachtet, also vom übrigen Bayern getrennt. Ihre ausdrückliche Nennung bleibt allerdings bis heute unverständlich und unerklärt, nachdem ja der ganze Nordgau von Bayern abgetrennt und an den Sohn Karl fallen sollte. Es ließe sich denken, dass im Zuge von länger dauernden Verhandlungen auf dem Hoftag von Diedenhofen (Dezember 805 / Januar 806) bei der verkürzenden Schlussredaktion diese eigentlich überflüssig gewordenen Königsgutnennungen versehentlich oder wegen ihrer finanziellen und/oder politischen Bedeutung stehen geblieben sind.

Ingolstadt und Lauterhofen werden nur formal betrachtet in dieser Urkunde von 806 „erstmals schriftlich erwähnt"; in Wirklichkeit, inhaltlich betrachtet, liefert gerade diese Urkunde ein früheres, ebenso exaktes Datum für die Existenz des Ortes Ingolstadt und für seine Funktion als „regionales Oberzentrum", nämlich als karolingisches Königsgut und bereits vorher als herzogliches (agilolfingisches) Fiskalgut (Kammergut), nämlich das Jahr 788; erwähnt sie doch, dass diese beiden Höfe einst, also höchstens bis 788, mit dem gesamten Nordgau im Besitz Herzog Tassilos III. von Bayern gewesen seien, aus karolingischer Sicht allerdings als ein fränkisches (merowingisches) Lehen. Das heißt: In der Urkunde von 806 steht, dass Ingolstadt bereits seit 788 ein karolingisches Königsgut, aber schon vorher im 8. Jahrhundert agilolfingisches Herzogsgut war.

817 Wieder werden Ingolstadt und Lauterhofen in der sehr ähnlichen „Reichsordnung" Kaiser Ludwigs des Frommen des Jahres 817 ausdrücklich erwähnt, obschon hierzu auch diesmal scheinbar kein Grund besteht, weil ja jetzt ganz Bayern, einschließlich des Nordgaus, dem „Regnum" Ludwigs des Deutschen zugeteilt wird. Allerdings war im westlichen Nordgau im Einvernehmen zwischen Herzog Odilo, dem Papst bzw. dessen Nuntius Wynfried/Bonifatius und der bayerischen Adelsfamilie des Klosterstifters Suitger i.J. 740 das Bistum Eichstätt (auf Kosten des Bistums Regensburg) gegründet worden, und als dieses auf Betreiben der Karolinger deren fränkischer Kirchenprovinz Mainz auf Kosten der bayerischen Kirchenprovinz Salzburg angegliedert wurde, bedeutete dies ein massives Vordringen fränkischer Macht in den bayerischen Nordgau, faktisch eine Teilung in einen fränkisch dominierten West-Nordgau und einen altbayerischen Ost-Nordgau. Das südliche Grenzende verlief genau östlich und südlich der „Villa Ingoldesstat", also zwischen Mailing und Großmehring und entlang der heutigen Sandrach. Sollte in diesem Zusammenhang die Antwort auf die offene Frage nach dem Grund der ausdrücklichen Erwähnungen zu suchen sein?

ca. 830 Abt Gotzbald von Niederaltach, Erzkaplan und Erzkanzler der Kanzlei König Ludwigs des Deutschen erhält die königliche Villa Ingoldesstat zu Lehen, eine Art Kanzleilehen.

841 Abt Gotzbald von Niederaltaich erhält das bisherige Lehen Ingolstadt von König Ludwig zu eigen. Noch im selben oder darauffolgenden Jahr bekundet der Konvent von Niederaltaich sein Interesse an einer Schenkung an das Kloster. Es kommt zu einem Urkundenentwurf, demzufolge Abt Gotzbald nicht dem Kloster, sondern der bei Niederaltaich gelegenen kleinen Kirche von Isarhofen kostbare Reliquien der angeblich Mitte des 3. Jahrhunderts in Rom hingerichteten Märtyrer Agapitus und Felicissimus stiftet, die er vom Papst persönlich erhalten habe, bei denen er eine Seelgerätstiftung für König Ludwig den Deutschen und dessen Haus sowie für sich selbst stiftet, die allerdings erst bei seinem Ableben wirksam werden soll. Die Villa Ingoldesstat, bzw. die Einkünfte daraus, wird zum Fundationsgut dieser Seelgerätstiftung bestimmt. Die Nutznießung dieser Einkünfte soll Abt Gotzbald bis an sein Lebensende vorbehalten bleiben. Diese undatierte „Vorurkunde" wird aber nie durch eine richtige, gültige Urkunde ersetzt, noch wird die übliche königliche Einwilligung hierzu erwirkt.

855 Abt Gotzbald, seit 842 Bischof von Würzburg und noch immer einer der wichtigen und einflussreichen geistlichen Ratgeber des Königs, stirbt. Ob jetzt der Konvent von Niederaltaich Ansprüche auf die nie vollzogene Schenkung erhoben hat oder wie sonst und wann das Kloster Niederaltaich – und nicht das Kirchlein in Isarhofen – in den Besitz des Königshofes Ingolstadt gekommen ist, liegt im Dunkel der Geschichte. Tatsache ist, dass es dem Kloster gelungen ist, über die Wirren der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts (die Ungarnstürme) hinweg diese unzureichend begründeten Ansprüche zumindest sehr weitgehend aufrecht zu halten.

Theodor Straub, 15.05.2006


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