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Hafnerei-Ausstellung im Stadtmuseum Ingolstadt 2010
Eine sensationelle Entdeckung

 
Der umfangreiche Fundkomplex aus der Konviktstraße in Ingolstadt stellt aus archäologischer Sicht einen besonderen Glücksfall für die Erforschung mittelalterlicher Handwerkskunst dar. Da bei Auflösung der Werkstatt offenbar kein Bedarf an Hafnereiutensilien mehr bestand, wurde das verbliebene Inventar an Ort und Stelle entsorgt. Die technischen Einrichtungen der Werkstatt wurden, soweit nötig, abgebrochen und einplaniert. Damit kann in Ingolstadt der annähernd lückenlose Herstellungsprozess vom Rohstoff, dem noch nassen Ton, bis hin zum verkaufsfertigen Erzeugnis sowohl anhand von Befunden als auch durch Funde nachgewiesen werden. Neben dem ungewöhnlichen Qualitätsanspruch vorwiegend profaner Themen ist auch der Kreis der Auftraggeber zu belegen. Neben den Wittelsbacher Herzögen und der Hohen Schule lassen sich Beziehungen bis in den Nürnberger Raum, Regensburg und Augsburg herstellen.

In den europäischen Städten gab es einen deutlichen Trend zu immer stärkerer Spezialisierung der handwerklichen Produktion. Mit der Herstellung von vorwiegend figürlich dekorierten Produkten bzw. Figuren, deren Vorbilder bei bildenden "Künstlern" wie Michel Erhart, Hans Multscher oder Meister E.S. zu finden sind, scheint sich die Kunsthafnerei vom traditionell verstandenen Handwerk in dieser Zeit zu lösen. Zunächst scheint es die Regel, dass die Auftraggeber wie Adel, Klerus oder auch Bürgertum direkt bei den Meistern bestellten. Durch eine ständig steigende Nachfrage entwickelten sich kleine Werkstätten von der Fertigung künstlerischer Einzelstücke hin zu manufakturartig arbeitenden Betrieben, in denen hochwertige Keramik in größeren Stückzahlen auch ohne direkten Auftrag auf Vorrat für einen zunehmend wachsenden Markt produziert wurde.
In diesem Kontext ist die Werkstatt in der Konviktstrasse in Ingolstadt zu sehen. Hinweisen im Fundgut, dass der Ingolstädter "Künstler" gleichzeitig Bildschnitzer war, wird in der Zukunft noch nachzugehen sein.

Festzuhalten bleibt, dass im Gebiet zwischen Ulm, Nürnberg und Landshut vor allem in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Gattung der Tonplastik sehr gerne Verwendung fand. Gerade im Altmühltal um Eichstätt ist ein Fortbestand der Tonbildnerei bis um 1500 zu verzeichnen. Die eigenständige Gruppe lässt sich von Nürnberger oder Landshuter Stücken deutlich unterscheiden. Bisher konnten jedoch weder "Künstler" noch Werkstätten lokalisiert werden. Die Produktion großer Figuren in Ingolstadt, genau zu dem Zeitpunkt, wirft die Frage auf, ob nicht der "Künstler" aus der Konviktstrasse zu diesem Werkstattkreis gehörte.

Text: Dr. Gerd Riedel, 2010


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