Logo Kurt Scheuerer Wissensspeicher zur Geschichte von Ingolstadt  
Gaben an die Götter?
Archäologische Funde in und bei Gewässern
des Raumes Ingolstadt

Gerd Riedel
Aus dem Katalog zur Ausstellung: Das Geheimnis des Bernstein-Colliers
Ingolstadt 1998. S. 53-64.


Das prachtvolle Bernstein-Collier, das im Rahmen der Ausstellung "Das Geheimnis des Bernstein-Colliers" im Stadtmuseum Ingolstadt erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, verdankt seine Entdeckung nicht zuletzt einem Gewässer. Es handelt sich um den Augraben nördlich von Ingolstadt. An dem heute eher unscheinbaren Bach konnten in der Vergangenheit schon mehrfach wichtige Entdeckungen gemacht werden. Baumaßnahmen an seinen Ufern sind daher stets von Interesse und werden vom Landesamt für Denkmalpflege Ingolstadt in Zusammenarbeit mit der Stadt Ingolstadt und der AUDI AG konsequent und sehr engagiert beobachtet.

Augraben. Plan von 1868. Augraben. Foto: Gerd Riedel
Plan von 1868 mit Augraben zwischen Ingolstadt und Etting.
Foto des Augrabens mit AUDI-Gelände.

Neben dem Fund des Bernstein-Colliers wurden vor allem zwei Depots wertvoller Metallgegenstände der Frühbronzezeit, sogenannte "Horte", geborgen. Sie machen den Augraben zu einem wichtigen Bezugspunkt bei der Suche nach Hinterlassenschaften vorgeschichtlicher Epochen. In der prähistorischen Forschung wird davon ausgegangen, daß die meisten vor- und frühgeschichtlichen Funde, die aus den Flüssen Bayerns stammen, bewußt versenkt wurden, auch wenn die genauen Beweggründe dafür meist unklar bleiben (TORBRÜGGE 1970/71, 93; 123). Die Auffindung wertvoller Objekte in auffälligem Zusammenhang mit Gewässern wird in der Fachliteratur gerne mit prähistorischen Opferhandlungen in Verbindung gebracht. Noch während der Merowinger- und Karolingerzeit zeigen die Deponierungsorte heidnischer Opfergaben oftmals enge Bezüge zu Gewässern (MÜLLER-WILLE 1989, 26 f.).

Die Rolle des Augrabens bei der Niederlegung des Bernstein-Colliers und seiner Beifunde erscheint vor diesem Hintergrund in einem besonderen Licht. Das soll hier zum Anlaß genommen werden, auf einige ausgewählte Funde mit deutlichem Gewässerbezug aus dem Umland von Ingolstadt aufmerksam zu machen. Die Gründe für die Niederlegung der angesprochenen Objekte sollen an dieser Stelle nicht umfassend diskutiert werden, da sie ein sehr vielschichtiges Problem darstellen. Allerdings sei auf Möglichkeiten und Schwierigkeiten der Interpretation kurz eingegangen.

Das Umland von Ingolstadt

Starke, aus dem Jura gespeiste Quellen machen den Nordrand des Ingolstädter Beckens zwischen Kösching und Nassenfels zu einem der wasserreichsten Landstriche der Fränkischen Alb (TISCHLINGER 1993, 22). Folglich finden sich nördlich von Ingolstadt in den Ausläufern der Alb feuchte Niederungen, die von ständig fließenden Bächen durchzogen sind. Hier bildeten sich immer wieder Moore, etwa vor der Einmündung der Schutter in die Donau bei Ingolstadt, östlich von Lenting vor der Vereinigung des Lentinger Baches mit dem Brunnhauptenbach oder östlich von Mailing vor dem Zusammenfluß von Tettelbach, Mailinger und Köschinger Bach.

Größere, offene Wasserflächen sind heute nicht vorhanden, abgesehen von den zahlreichen, künstlichen Baggerseen um Ingolstadt. Unmittelbar nördlich, westlich und östlich der Stadt erstreckt sich die weitgehend ebene Hochterrasse der Donau. Sie überragt deutlich die Flußniederung und reicht im Osten bis Kleinmehring, im Norden bis Oberhaunstadt und bis zum Augraben, in Westen etwa bis Dünzlau. Der Augraben fließt von Nordosten kommend entlang der Grenze von der Hochterrasse zu den Höhenrücken am Fuß der Fränkischen Alb, vereinigt sich bei Unterhaunstadt mit dem Retzgraben zum Mailinger Bach, der schließlich bei Großmehring die Donauniederung erreicht.
Südlich der Donauhochterrasse dehnen sich in einem bis zu sechs Kilometer breiten Streifen die Donauauen aus. Sie wurden bis in die Neuzeit hinein von drei Hauptarmen der Donau durchquert. Dieser ausgedehnten Flußlandschaft kam von jeher eine besondere Bedeutung zu, da durch die Aufspaltung des Stromes in zahlreiche größere und kleinere Gewässer sein Überschreiten leichter möglich war (STRAUB 1993/1994, 131). Ihre Südgrenze markiert der Schotterrücken der Donauniederterrasse. Er erstreckt sich zwischen den Donauauen und den großen Mooren Donaumoos und Feilenmoos im Süden. Bei Oberstimm und Manching wird die Niederterrasse von der Brautlach und der Paar in Richtung Donau durchquert.

Somit boten der Donaustrom selbst mit seinem breiten Auengürtel, weitere Flüßchen und Bäche und mehrere Moore den prähistorischen Menschen im Raum Ingolstadt eine breite Palette von Möglichkeiten, Deponierungen in oder bei Gewässern niederzulegen.
Bei der Betrachtung der Landschaft um Ingolstadt ist jedoch besonders zu beachten, daß sie in der Vergangenheit zahlreichen und massiven Veränderungen durch den Menschen unterworfen war. In groben Zügen ist das für das Mittelalter und für die Neuzeit gut nachvollziehbar. So wurde beispielsweise der Hauptarm der Donau in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts künstlich an die Stadt Ingolstadt herangelegt. Vorher lag sie nur an einem Nebenarm (GÖTZ 1921, 2), während das Hauptbett am Südrand der Donauauen bei Zuchering, Oberstimm und Manching im Bereich der heutigen Sandrach verlief.
Nördlich der Donau weisen zahlreiche Mühlen an den Fließgewässern darauf hin, daß deren Lauf durch menschliche Eingriffe überformt wurde. Das hat zu erheblichen landschaftlichen Veränderungen geführt. So ist das Schutterbett westlich von Ingolstadt besonders augenfällig an den Hochterrassenrand gebaut, um ein geeignetes Gefälle für den Mühlbetreib zu erhalten. Das ursprüngliche Schutterbett verlief in der Niederung sicherlich ganz anders.
Abgesehen von solchen Eingriffen in die Gewässerläufe selbst können ehemals trockene und siedlungsgünstige Bereiche durch den mittelalterlichen Mühlenstau nachträglich vernäßt oder überflutet worden sein. Derartige Veränderungen müssen selbstverständlich berücksichtigt werden, wenn der Bezug eines prähistorischen Depotfundes zu einem Gewässer interpretiert wird.

Der Augraben nördlich von Ingolstadt

Kein anderer Bach- oder Flußlauf im nördlichen Oberbayern hat durch die Auffindung wertvoller Deponierungen so sehr auf sich aufmerksam gemacht wie der Augraben nördlich von Ingolstadt. Depot- oder Hortfunde, zu denen an dieser Stelle auch Einzelfunde mit Hortcharakter gerechnet werden sollen, sind seit dem Mittelpaläolithikum nachweisbar und besitzt mit dem Aufkommen der Metallverarbeitung zahlreiche Belege (GEISSLINGER 1984, 320).

Das Bernstein-Collier von Ingolstadt gehört offensichtlich zu einem solchen Hortfund. Trotz des Bezuges seines Fundortes zum Augraben handelt sich aber um keinen Gewässerfund. Denn er wurde nicht in einer ehemals offenen Wasserfläche oder in einem Moor niedergelegt. Das Collier mit seinen Begleitfunden war vielmehr in einer eigens ausgehobenen Grube am Südufer des Augrabens deponiert worden (BANKUS/RIEDER 1997, 63).

Dolch- und Ringbarrenhort. Foto: LfD
Foto Depotfunde vom Augraben.

Damit offenbar gut vergleichbar ist der Deponierungsplatz eines Hortes aus mindestens sechs triangulären Vollgriffdolchen, der im Sommer 1984 dem Stadtmuseum übergeben wurde. Der Fundort ist zwar nicht mehr genau ermittelbar, dürfte aber wiederum nahe des AUDI-Werkes zu suchen sein. Anhaftende Erdreste weisen auf die ehemalige Einbettung der Dolche in braune, tonig-sandige Erde mit einer groben kiesigen Komponente hin (RIEDER 1985, 46), die ebenso wie die grüne Patina nicht an einen Gewässer- oder Moorfund denken läßt. So dürfte auch hier der Bezug zum Augraben gegeben sein, ohne daß es sich um einen wirklichen Gewässerfund handelt.
Noch schwieriger zu beantworten ist die Frage nach dem Fundort eines dritten Hortes, der wie der Dolchhort im Bauaushub abtransportiert worden war und vom Gelände zwischen dem Augraben und der wenig nördlich verlaufenden Bahnlinie Ingolstadt-Treuchtlingen stammt (REICHART 1979, 46). Er setzt sich aus zehn gut erhaltenen Halsringbarren und acht Bruchstücken von solchen Ringen zusammen.

Keiner der drei Hortfunde vom Augraben ist somit zwingend als Gewässerfund anzusprechen. Dennoch haben sie den klaren räumliche Bezug ihrer Niederlegungsorte zu dem Gewässerlauf gemeinsam. In den letzten Jahren wurden durch planmäßige Ausgrabungen zahlreiche prähistorische Funde aus dem Moorbereich des Augrabens geborgen (RIEDEL 1995, 11). Im Gegensatz zu den älteren Zufallsbergungen sind diese Funde als Gewässerfunde anzusprechen.

Da alle, oder zumindest der allergrößten Teil der Grabungsfunde mit den nahegelegenen, früh- bis mittelbronzezeitlichen und urnenfelderzeitlichen Siedlungsarealen südlich des Augrabens in Verbindung zu bringen sind, dürfte es sich bei ihnen vor allem um Siedlungsfundgut handeln. Der Gedanke an Niederlegungen im Rahmen von Opferungen bietet sich bei einer ersten Durchsicht des Fundmaterials nicht an, auch wenn Objekte wie Steinbeile und Geweihäxte darunter sind, die häufig als Flußfunde auftreten (WEGNER 1976, 47; 49 f.) und andernorts als Opferdeponierungen angesprochen werden (ZIMMERMANN 1970, 61; 68 f.). Dagegen erscheint die Interpretation der drei genannten Hortfunde vom Augraben als rituelle Niederlegungen schon sehr viel naheliegender.

Die sechs aufwendig verzierten Dolche mit ihren breiten, dünnen Klingen wurden sicher nicht als Waffen verwendet. Sie stimmen darin mit Depotfunden andernorts überein, beispielsweise mit den Stabdolchen des Hortes II von Melz in Mecklenburg-Vorpommern (RASSMANN/SCHOKNECHT 1997, 43). Übergroße Steinäxte wie ein Exemplar aus Ingolstadt (REICHART 1955, 50) waren wohl ebenfalls nicht für den praktischen Gebrauch geeignet (MAIER o.J.). Eine Deutung solcher Objekte als Herrschaftssymbole oder in magisch-kultischem Zusammenhang erscheint bislang am plausibelsten. Ihre Niederlegung in oder bei Flüssen und Mooren deutet sehr auf bewußte Deponierungen im Rahmen von Kulthandlungen hin. Dies gilt besonders für die sechs "gebrauchsunfähigen", wertvollen Vollgriffdolche vom Augraben (RIEDER 1985, 47; STEIN 1976, 30). Sie passen keinesfalls zum üblichen Fundgut einer Siedlung und zählen auch nicht zu den geläufigen Grabbeigaben der Frühbronzezeit (MENKE 1978/79, 90). Die einseitige Zusammensetzung des Hortes könnte zusätzlich auf seinen Weihecharakter hinweisen (STEIN 1976, 118).

Bei Schmuck wie dem Bernstein-Collier vom Augraben läßt sich die Grenze zwischen profanen und kultisch-religiösen Gegenständen sehr viel schwerer ziehen. Mit dem Collier wurden ein Paar bronzener Beinbergen und ein kleines Kupferplättchen vergraben, dessen Funktion jedoch noch unklar ist (BANKUS/RIEDER 1997, 63). Das Ablegen von Schmuck aus persönlichem Besitz im kultischen Zusammenhang ist schon aus dem Alten Testament bekannt (GAMBERONI 1964, 437). Auch das Material Bernstein selbst ist in seiner Funktion vieldeutig. Es kann lediglich als profaner Schmuckstein angesehen worden sein, könnte aber darüber hinaus Amulettcharakter besessen haben, wobei zwingende Aussagen dazu schwierig sind (KRISS-RETTENBECK 1993, 569 f.). Die Niederlegung von Schmuckhorten in feuchtem Gelände ist besonders häufig zu beobachten (STEIN 1976, 93), was unter Umständen für eine sakrale Interpretation sprechen könnte (STEIN 1976, 29; 95) und an den Bezug des Collier-Fundes zum Augraben erinnert. An süddeutschen Schmuckhorten ist jedoch häufig festzustellen, daß einzelne Objekte in größerer Zahl vorkommen, als sie in die Gräber mitgegeben wurden (STEIN 1976, 24; 96). Dies wiederum ist bei dem Hort vom Augraben nicht der Fall, denn der Bernsteinschmuck und die Beinbergen sind Teil der Ausstatttung einer Person. Seine Interpretation erscheint somit schwieriger als die des Dolchhortes.

Halsringbarrenhorte wie der dritte Depotfund vom Augraben werden als Rohmaterial oft den Schatzfunden zugewiesen, die aufgrund profaner Beweggründe in die Erde kamen (STEIN 1976, 30), etwa weil sie ein Händler auf einer Fahrt in entferntere Gegenden nicht mit sich führen, später aber wieder heben wollte (MENKE 1978/78, 193 f.). Allerdings verwundert die zeitliche Beschränkung von Barrenfunden auf einen aus Sicht des Archäologen relativ kurzen Zeitraum von weniger als einem halben Jahrtausend während der Bronzezeit. Aus diesem und anderen Gründen wird auch an bewußtes Ansammeln und rituelles Deponieren der wertvollen Metallbarren als Weihegaben gedacht (INNERHOFER 1997, 54; TILLMANN 1991, 128).

Zusammenfassend läßt sich nach derzeitigem Kenntnisstand für den Augraben die Beobachtung formulieren, daß die prähistorischen Funde, die am ehesten als mutmaßliche Opferdeponierungen diskutiert werden können, auf festem Grund niedergelegt worden zu sein scheinen. Die klaren Moor- und Gewässerfunde sind dagegen aufgrund großflächiger Ausgrabungen eher als Siedlungsfunde anzusprechen. Dadurch wird besonders deutlich, daß der Bezug der Funde zum Gewässer Augraben allein noch keine schlüssige Interpretationshilfe im Hinblick auf ihre Niederlegung darstellt. Die Konzentration von Hortfunden aus der Bronzezeit an einem relativ kurzen Abschnitt des Augrabens erscheint immerhin bemerkenswert. Der Umstand, daß großflächige und moderne Grabungen an anderen Abschnitten des Bachlaufes, aber auch an den übrigen Gewässerläufen nördlich von Ingolstadt, wie dem Retzgraben, dem Manterinbach oder dem Köschinger Bach, bisher noch nicht stattgefunden haben, kann dafür nur bedingt als Erklärung angeführt werden. Denn zwei der drei Hortfunde stammen nicht aus regulären archäologischen Untersuchungen.

Es stellt sich demnach die Frage, welche Kriterien für die Nierderlegung der drei Horte an dieser Stelle den Ausschlag gegeben haben könnten. Falls es sich nicht um einen Zufall handelt, müßte der Platz Merkmale besessen haben, die über lange Zeit erkennbar waren. Denn der Hort mit dem Bernstein-Collier ist mehrere Jahrhunderte jünger als der Dolch- und der Halsringbarrenhort der Frühbronzezeit (BANKUS/RIEDER 1997, 63 f.).
Hortfunde wurden häufig an Plätzen entdeckt, die heute keine markanten Charakteristika aufweisen, so wie es auch beim Augraben der Fall ist (HÄNSEL 1997, 15). Möglicherweise handelt es sich um alte Standorte auffälliger Bäume, um Plätze bei Wegkreuzungen oder ähnlichen, heute nicht mehr nachweisbaren Bezugspunkten (CZYBORRA 1997, 89; 91), denen vielleicht in früherer Zeit besondere Beachtung oder sogar Verehrung entgegengebracht wurde. Es wäre somit verlockend, den Gewässerlauf Augraben, eventuell eine Stelle, wo er besonders leicht überschritten werden konnte, als "Opferplatz" zu interpretieren. Dann müßte allerdings die Niederlegung aller drei Horte aus kultischen Gründen geschehen sein.
Als weitere mögliche Erklärung für heute wenig markante Deponierungsorte wird angeboten, daß sich die Depots an ihren Fundplätzen in sekundärer Lage befänden. Sie seien aus einem Heiligtum aus Angst vor Entweihung durch Übergriffe oder wegen gewandelter Kultformen entfernt worden. Ihre häufig anzutreffende Niederlegung in Behältnissen soll zu dieser Erklärung gut passen (WEGNER 1976, 97), ließ sich aber nur noch bei einem der drei Horte vom Augraben nachweisen.

Der Brunnhauptenbach südlich von Kösching

Der Augraben ist nicht der einzige Gewässerlauf bei Ingolstadt, aus dessen Umfeld außergewöhnliche Deponierungen stammen. Der kurze Abschnitt des Brunnhauptenbaches südlich des alten Ortskernes von Kösching hat zwei bemerkenswerte Funde aus dem Mittelalter erbracht, die man ebenfalls weder Siedlungen, noch Grabausstattungen zuordnen kann. Es handelt sich um eine romanische gravierte Buntmetallschale, die schon Ende des 19. Jahrhunderts nahe bei der Quelle des Klingenbächleins in der Niederung des Brunnhauptenbaches bei Erdarbeiten entdeckt worden war (WITZ 1932, 17). Ein Schwert aus salischer Zeit kam dagegen erst im Februar 1997 bei Baggerarbeiten ans Tageslicht (DONAU KURIER vom 09.04.1998). Auf den ersten Blick verbindet diese Objekte wenig mit den Horten vom Augraben. Die Funde aus dem Brunnhauptenbach kamen etwa drei Jahrtausende später in den Boden und sind auch keine Objektgruppen, sondern Einzelfunde. Dennoch finden sich Parallelen, die eine gemeinsame Besprechung rechtfertigen.

Romanische Bronzeschalen, oftmals als "Hansaschalen" bezeichnet, treten vor allem vom späten 11. bis zum frühen 13. Jahrhundert auf (MÜLLER 1996, 145) . Auch wenn die Bezeichnung "Hansaschalen" irreführend ist, da sich ihr Auftreten weder zeitlich noch geographisch mit dem Seehandelsbund ganz deckt (DRESCHER 1975, 59; MÜLLER 1996, 146; WEITZMANN-FIEDLER 1981, 9), wird doch immer wieder auf die Hanse und ihre Handelsverbindungen im Zusammenhang mit Vorkommen und Verbreitung der Schalen hingewiesen (MÜLLER 1996, 147; TACKENBERG 1979, 147; 150). Die Schalen werden zum Fernhandelsgut gerechnet (FORRER 1917, 821; SCHIMPFF 1981, 255; TACKENBERG 1979, 146) . Ihre Innenseiten sind mitunter in vielfältiger Weise dekoriert (WEITZMANN-FIEDLER 1981, 9). Sie zeigen eingeritzte, -gepunzte und -gravierte Inschriften, kombiniert mit gegenständlichen oder abstrakten Motiven, die christliche und mythologische Inhalte vermitteln, sowie Personifikationen oder Tierdarstellungen. Zudem finden sich Schalen mit pflanzlichen oder geometischen Ornamenten (MÜLLER 1996, 145). Insgesamt sind derzeit fast 160 gravierte Bronzeschalen bekannt (REIMANN 1995, 156). Dazu kommt eine nicht ganz so hohe Zahl unverzierte Stücke (MÜLLER 1997, 252; STOLL 1996, 517-525).

Der größere Teil der Schalen stammt aus Gräbern und Gewässern (ECKERLE 1986, 218 f.; MÜLLER 1996, 156), auch wenn die Anzahl der Siedlungsfunde höher sein dürfte, als es bislang den Anschein hat (MÜLLER 1996, 154). Die Köschinger "Hansaschale" wurde ebenfalls in einer feuchten Niederung geborgen, allerdings aus einer dort befindlichen, hügelartigen Geländeerhöhung (WITZ 1932, 19). Somit besteht wie bei den Hortfunden vom Augraben zwar der klare Bezug zu einem Bach. Es liegt aber kein Gewässerfund vor. Bei den "Hansaschalen" aus Gewässern überwiegen die Flußfunde deutlich (SCHULZE 1984, Fig. 4). Dies erinnert an vor- und frühgeschichtliche Deponierungen (ECKERLE 1983, 319; REIMANN 1995, 156). Der Gedanke an ein bewußtes Versenken der Objekte ist folglich naheliegend (SCHULZE 1984, 224 -226), wobei eine Erklärung auch im kultischen Bereich gesucht werden kann (MÜLLER 1996, 156).

Opferungen in heidnischer Manier erscheinen im längst christianisierten Mitteleuropa des Hochmittelalters auf den ersten Blick ungewöhnlich (MÜLLER, 1997, 254). Die Opferung wertvoller Gegenstände durch Versenken in Flüssen und Seen zur Besänftigung von Wassergeistern und Dämonen ist jedoch für das Mittelalter und bis in die Neuzeit auch historisch überliefert (SCHULZE 1984, 229). Das Niederlegen von Opfergaben in Quellen und Brunnen ist eine uralte Sitte, die als Volksbrauch bis zum heutigen Tage mit Münzen praktiziert wird (LANCKOWSKI 1963, 932).
Daß die "Hansaschalen" Wertgegenstände waren, so daß sie als "opferwürdig" angesehen werden können (SCHULZE 1984, 223) , zeigt nicht zuletzt die Weiterverarbeitung ausgedienter Stücke als wertvolles Rohmaterial (MÜLLER 1996, 162). Die Fundorte der Schalen, unter denen sich zahlreiche Burgen, Städte und kirchliche Einrichtungen befinden, können als zusätzlicher Hinweis für das gehobene Milieu zu werten sein, aus denen die Schalen stammen (SCHULZE 1984, 242-247).
Da ihre Verwendung in Liturgie und Bußpraxis naheliegt, könnte ihre auffällig häufige Niederlegung in Gewässern durchaus religiös motiviert sein. Als Kunstwerke wird den verzierten Schalen jedoch meist nur ein begrenzter Wert zugestanden (WEITZMANN-FIEDLER 1981, 13 f.). Eine von der pietätvollen Behandlung kultischer Objekte abweichende Verwendung im Alltag zeigen zudem grob ausgeführte Reparaturen an manchen Objekten (DRESCHER 1975, 61).
Viele der romanischen Bronzeschalen dürften, wie schon gesagt, zuletzt als Altmetall "recycled" worden sein (DRESCHER 1975, 57; MÜLLER 1996, 162). Somit ist auch bei dem Objekt "Hansaschale" ansich die Verwendung als profaner Gebrauchsgegenstand oder als Kultgerät nicht von vornherein erschließbar, wie das etwa bei den Dolchen vom Augraben der Fall war. Dies verbindet die "Hansaschale" mit den Bronzebarren und dem Hort mit dem Bernstein-Collier vom Augraben.

Einen wichtigen Hinweis zur Interpretation liefert jedoch ein Blick auf die Gesamtverbreitung und auf die Fundumstände der "Hansaschalen". Sie sind in Mittel- und Nordwestdeutschland, in den Niederlanden und Belgien besonders häufig. In diesem Raum, nämlich in den Städten des Rhein-Maas-Gebietes und in der Gegend um Goslar und Braunschweig werden die Hauptproduktionsstätten der Gefäße vermutet (REIMANN 1995, 156). Auch hier treten Gewässerfunde gegenüber Siedlungsfunden sehr viel stärker in den Vordergrund. Wie im süddeutschen Raum fehlen dort Grabfunde (MÜLLER 1996, 159, Abb. 7; SCHULZE 1984, 244-246; STOLL 1996, 13, Abb. 2; 515, Abb. 4).
Im Gegensatz zu Mittel- und Nordwesteuropa sind "Hansaschalen" als Siedlungs- und Gewässerfunde östlich der Oder und im Ostseeraum merklich seltener (MÜLLER 1996, 159, Abb. 7; STOLL 1996, 517-525). Dafür treten sie dort gehäuft als Grabbeigaben auf. Bemerkenswert ist dabei, daß den zahlreichen Gewässerfunden des christlichen West- und Mitteleuropa, für die ein kultisch-religiöser Hintergrund erwogen werden kann, mit den Grabfunden des im Hochmittelalter noch heidnischen Osteuropa eine Art Pendant gegenüberstehen könnte, mit kultisch-religiösen Niederlegungsmotiven als Bindeglied.

Schwerter, BZ und MA. Foto: LfD
Foto: Schwerter aus Gewässern.

Nicht nur "Hansaschalen" werden oft als Zeugnisse kultischer Deponierungssitten interpretiert, sondern auch mittelalterliche Schwerter aus Gewässern, wie das jüngst entdeckte Exemplar von Kösching. Aus der späten Merowinger- und der Karolingerzeit, als in weiten Teilen Süddeutschlands angeblich unter kirchlichem Druck die Beigabensitte in den Gräbern ausgeklungen war (REINDEL 1995, 141f.), kennen wir eine merklich größere Zahl an Flußfunden als in den Jahrhunderten davor. Neben Schwertern geraten vor allem Lanzen in die Gewässer (WEGNER 1976, 40), wobei speziell die Flügellanzenspitzen auf bewußte Deponierung hinweisen (SCHREG 1992, 36 f.). Eine besonders frühe derartige Gewässerdeponierung stellt eine karolingische Spatha dar, die im Donaukies bei Neuburg entdeckt wurde. Sie datiert in die Mitte des 8. Jahrhunderts (MENGHIN 1990, 107, Abb. 90).
Im Mittelalter war das Schwert mehr als nur eine Waffe. Es besaß nach altgermanischer Vorstellung als treuer Begleiter seines Trägers geheimnisvolle Kräfte oder gar eine eigene Seele (PAULSEN 1967, 97f.). Die auffällige Erscheinung, daß Schwerter einer bestimmten Zeitstufe vor allem aus Gewässern stammen, konnte beispielsweise an Rhein und Main schon in der jüngeren Urnenfelderzeit beobachtet werden (WEGNER 1976, 42), wobei einige offenbar als spezielle "Prunkwaffen" in kultischem Zusammenhang verwendet worden sein dürften (WEGNER 1976, 43).
Eine ungebrochene Tradition der Versenkung von Schwertern in Gewässern seit vorgeschichtlicher Zeit läßt sich für den Raum Ingolstadt nicht nachweisen, zumal es aus römischer oder keltischer Zeit keine Beispiele gibt. Aus der Urnenfelderzeit stammt immerhin ein zerbrochenes Schwert von Typ Erlach, für das als Fundort lediglich "eine Kiesgrube im Raum Ingolstadt" angegeben werden kann. Andernorts kann dieser Brauch kontinuierlicher, wenn auch nicht ganz lückenlos belegt werden (WEGNER 1976, 44 f.).

Zwingende Schlüsse auf die Niederlegungsmotive der Köschinger Funde lassen sich sicher nicht ziehen. Denn zahlreiche "Hansaschalen" wurden nicht in Gräbern oder Gewässern, sondern in Siedlungen aufgefunden. Besonders auffällig ist dabei ihre Einbettung in Kulturschichten, beispielsweise in der Pfalz Paderborn (SCHULZE 1984, 245) oder in den Städten Lübeck und Kammin (STOLL 1996, 519f.), so daß es sich bei diesen Stücken wohl nicht um Deponierungen, sondern um Siedlungsfunde handeln dürfte. Diese Interpretation ist auch bei den verhältnismäßig zahlreichen Burgenfunden am naheliegendsten.
Die seltenen Brunnen- und Quellfunde (SCHULZE 1984, Fig. 4; STOLL 1996, 519) sind vielleicht doch eher Zufallsverluste bei der Nutzung von Frischwasser als kultisch zu deutende Regelbefunde. Auch bei den überwiegend in Flüssen aufgefundenen Schwertern der zweite Hälfte des 8. bis 12. Jahrhunderts im alten Bundesgebiet nimmt Alfred Geibig an, daß sie meist aus profanen Beweggründen niedergelegt worden sind (GEIBIG 1991, 179).

Wie beim Augraben, so fällt jedoch auch beim Brunnhauptenbach auf, daß die Fundstellen der potentiellen Opfergaben nahe beieinander liegen. Zudem handelt es sich bei beiden Objekten um prestigeträchtige Wertgegenstände mit Symbolcharakter, bei den Schüsseln auch bezogen auf ihre Bildmotive. Das gemeinsame Auftreten bemerkenswerter Funde auf engem Raum mit deutlichem Bezug zu einem Gewässer wie beim Augraben läßt auch für den Brunnhauptenbach den Gedanken an einen "Opferplatz" zumindest erwägenswert erscheinen.

Die Donau bei Ingolstadt

Ludwig Pauli wies bei der Besprechung von Donaufunden bei Nersingen und Burlafingen darauf hin, daß trotz zahlreicher Kiesgruben auffällig wenige Funde aus der Donau bei Ingolstadt bekannt geworden sind (PAULI 1987, 295). Dies ist verwunderlich, denn das Überschreiten der breiten Flußlandschaft war bei wechselndem Wasserstand und sich verlagernden Gewässerläufen in vor- und frühgeschichtlicher Zeit trotz günstiger Grundvoraussetzungen sicherlich nicht ganz ungefährlich. Folglich wäre eine Konzentration von Verlustfunden und Opferungen bei Ingolstadt, die beispielsweise für einen glücklichen Übergang im Wasser niedergelegt wurden, naheliegend gewesen (WEGNER 1976, 23) .

Die massiven Eingriffe in die Flußlandschaft während des 19. und 20. Jahrhunderts boten durchaus die Möglichkeit, wie bei anderen Flüssen auf Gewässerdeponierungen zu stoßen (WEGNER 1976, 20), so daß Ludwig Paulis Hinweis auf eine auffällige Fundarmut berechtigt erscheint. Baggerseen befinden sich westlich von Ingolstadt, vor allem aber südlich von Mailing und Großmehring sowie zwischen Ingolstadt und Manching, somit nahe der Bereiche, in denen bereits seit prähistorischer Zeit ein wichtiger Donauübergang vermutet wird (KRÄMER 1957, 33).
Allerdings muß einschränkend bemerkt werden, daß längst nicht alle Kiesgruben in Donaunähe bei Ingolstadt auch im Bereich der Donauauen liegen und deshalb potentielle Fundstellen von Gewässerdeponierungen sind. Die Kiesgruben konzentrieren sich sehr stark auf der Niederterrasse südlich der Sandrach. Weite Bereiche der Donauauen waren dagegen kaum oder gar nicht vom Kiesabbau betroffen, so auch das Gelände um die mittelalterlichen Brücken über die drei Donauarme unmittelbar südlich der Altstadt. Gerade hier kam es sogar im Zuge des Bahnhofbaus zu großflächigen Aufplanierungen (MACK 1987, 8-10; WITZ 1937, 30).
Zudem muß man wegen des sich häufig ändernden Verlaufes der Donauarme mit ganz jungen Umgestaltungen der Auenlandschaft durch Erosion rechnen (BRUNNACKER 1970, 19). Besonders deutlich wurde das in der Fuchsschütt westlich der Ingolstäder Altstadt, wo in den 50er und 60er Jahren beim Kiesbaggern unter mehrere Metern Kies- und Auenablagerungen mächtige Pfahlverbauungen wohl von Flußregulierungen und Uferbefestigungen der Neuzeit angetroffen wurden und Funde des 16. und 17. Jahrhunderts in vier bis fünf Metern Tiefe verborgen lagen (WEINZIERL 1960, 45).

Ludwig Pauli führt einige Literaturzitate zu Gewässerfunden aus der Donau bei Ingolstadt an, die er eher als Ausnahmen denn als Gegenargument zu dem festgestellten geringen Anfall an Funden aus Kiesgruben auffaßt (PAULI 1987, 295, Anm. 56). Es handelt sich um einen frühbronzezeitlichen Beilhammer aus Serpentin, ein verziertes, bronzenes Griffzungenmesser der Urnenfelderzeit und eine bronzene Lanzenspitze, eine abgeschliffene römische Bronzemünze, das Fragment eines wohl mittel- oder spätrömischen Bronzegefäßes und eine mittelalterliche Lanzenspitze mit einem großen Nagel, die Josef Reichart für die Donauauen südlich von Ingolstadt in seiner Fundkarte von 1972 anführt (REICHART 1972, 14-16). Hinzu kommen ein gelochtes Steinbeil und ein Ösenhalsring aus einer Kiesgrube in der Flur "Aichelschütt" östlich von Großmehring. Als weitere Donaufunde nennt Ludwig Pauli eine Hammeraxt und eine lanzettförmige Axt der ausgehenden Jungsteinzeit aus Vohburg, er weist indirekt auf eine weitere lanzettförmige Axt aus Unsernherrn hin und führt eine Bronzeziste der Hallstattzeit bei Dünzlau, ein Eisenmesser mit Ringgriff wohl der Latènezeit aus Voburg und einen römischen Kochkessel bei Feldkirchen an (PAULI 1987, 295, Anm. 56).

Damit sind aber nicht alle Funde aus der Donau erfaßt. Aus der Fuchsschütt westlich von Ingolstadt sollen Hunderte von Hufeisen, Teilen von Pferdezaumzeugen, Schwertern, Äxten, Handwerkszeug und allerlei Gebrauchsgegenständen sowie zahlreichen "Resten" von Tieren geborgen und auch aufbewahrt worden sein. Sie könnten mit neuzeitlichen Heerlagern vor der Festung Ingolstadt in Zusammenhang stehen (WEINZIERL 1960, 45 f.). In den Magazinen des Stadtmuseums finden sich zahlreiche Sporen, Trensen, Hufeisen und auch Waffen, deren Herkunft zwar nicht vermerkt wurde, bei denen es sich jedoch durchaus um ausgebaggerte Funde aus den Donauschütten handeln könnte.

Das Gelände direkt südlich der Altstadt von Ingolstadt und um den Auwaldsee südöstlich davon wird von jungen Auenablagerungen gebildet (JERZ 1995, 30 f., Abb. 2), die wohl seit der Heranlegung der Donau an die Stadt bis ins 19. Jahrhundert vom Hauptarm des Flusses durchquert wurden. Auch die wenigen dort geborgenen Fundgegenstände könnten daher durchaus im Wasser niedergelegt worden sein. Zumindest kann dies bei fehlender Kenntnis der Fundumstände nicht ausgeschlossen werden.
Wie schon erwähnt, wurden beim Auwaldsee 1963 oberflächlich eine eiserne Lanzenspitze und eine großer Nagel gefunden. Aus einer Kiesgrube an der Manchinger Straße südöstlich des Auwaldsees stammen zwei eiserne Pfostenschuhe, Pikettpfähle und "Schwedensäbel" mit Holzresten, die aus dem 30jährigen Krieg stammen dürften, in den Beständen des Stadtmuseums aber bislang nur zum Teil identifizerbar sind (REICHART 1974, 173). In der Feselenstraße südlich der Altstadt wurde eine eiserne Lanzenspitze aus dem Mittelalter entdeckt (REICHART, Ingolstadt, 1972, 224).

Kessel. Foto: LfD
Foto: Kessel.

Eine auffällige Häufung von Funden ist bei Großmehring feststellbar, wo in der Donauaue seit langer Zeit Kies gewonnen wird. Von dort stammen ein römischer Eimer vom Östland-Typ und ein Kessel vom Westlandtyp, die beide wegen ihrer Moorpatina als Gewässerfunde anzusprechen sind. Genauer Fundort und Fundumstände sind unbekannt (FLÜGEL/HÜSSEN 1996, 9 f.). Weiterhin befinden sich ein karolingisches Schwert und eine 69,5 cm lange, schmale, zweischneidige Schwertklinge, die ebenfalls in nachmerowingische Zeit datieren dürfte, in den Beständen des Stadtmuseums Ingolstadt. Die Klinge stammt aus einer nicht näher bezeichneten Kiesgruben bei Großmehring, das Schwert aus einem "Kieshaufen" von derselben Ortschaft.

Die Bereiche der Donauauen bei Ingolstadt, die von Baggerarbeiten betroffen waren, haben demnach durchaus eine ansehnliche Zahl an Funden geliefert, die möglicherweise einmal im Wasser deponiert worden waren. Dadurch wird die Feststellung von Ludwig Pauli über die Fundleere in den Donauauen relativiert.
Bei einigen der Objekte bietet sich die Interpretation als Opferfund durchaus an. So sind lanzettförmige Äxte von der ausgehenden Steinzeit bis in die Bronzezeit als Einzelfunde häufig in Gewässern anzutreffen (WEGNER 1976, 38 f.), wie vielleicht auch das Stück aus Unsernherrn. Sie geben sich zudem durch großräumige Untersuchungen wegen ihrer auffälligen Formen als potentielle Opfer- und Votivdeponierungen zu erkennen. Das Vorkommen vergleichbarer Äxte in mitunter reich ausgestatteten Gräbern bringt sie in Zusammenhang mit gesellschaftlich herausgehobenen Personen (MAIER o.J.). Besonders bemerkenswert ist der Fund einer hallstattzeitlichen Rippenziste aus einem alten Donauarm südlich von Dünzlau (REICHART 1967; TORBRÜGGE/UENZE 1968, 105, Abb. 78, 79).
Die Niederlegung von Horten geht in der Hallstattzeit allgemein stark zurück (STEIN 1976, 17), und auch Flußfunde werden zwischen Österreich und Böhmen einerseits, der Schweiz und Ostfrankreich andererseits selten (SCHREG 1992, 25; TORBRÜGGE 1970/71, 47; WEGNER 1976, 32; 34). In der jüngeren Hallstattzeit lebt die Sitte der Opferungen mancherorts wieder auf, wofür besonders Trachtbestandteile und Metallgefäße herangezogen werden (METZNER-NEBELSICK 1997, 94).
Einzelne Metallgefäße können durchaus als Weihegaben zu interpretieren sein, wobei sie vielleicht durch ihren Inhalt eine Wertsteigerung erfuhren (HÄNSEL, Tafelgeschirr, 1997, 85). Rippenzisten wurden häufig in reich ausgestatteten Männergräbern entdeckt, wo sie wohl zum Trinkgeschirr zählten (GERDSEN 1982). Dementsprechend wird auch bei der Ingolstädter Ziste an eine Opferung gedacht, allerdings nicht im Zusammenhang mit einem Donauübergang, sondern mit nahegelegenen Hügelgräbern beim alten Donaunordufer.
Auch bei den beiden römischen Bronzegefäßen aus Großmehring ist eine rituelle Deponierung in einem Gewässer durchaus erwägenswert (FLÜGEL/HÜSSEN 1996, 9). Die Niederlegung von Bronzegefäßen in Gewässern nimmt in römischer Zeit nicht nur in den Donauauen bei Ingolstadt zu (WEGNER 1976, 85 f.).
Dagegen scheinen Flußfunde aus der Völkerwanderungs- und Merowingerzeit wieder selten zu sein (WEGNER 1976, 40; PAULI 1987, 305), bei Ingolstadt fehlen eindeutige Belege bislang ganz. Erst das mittelalterliche Schwert und die einzelne Klinge von Großmehring passen wieder zum Themenkomplex Opferungen, wie schon am Beispiel des Schwertes vom Brunnhauptenbach bei Kösching ausgeführt. Die zahlreichen und erst noch näher zu sichtenden Funde von Werkzeug, Waffen etc. aus den Schütten westlich der Stadt könnten dagegen durchaus größtenteils mit Heerlagern, Flußregulierungsarbeiten und Hochwasserkatastrophen des Mittelalters und der Neuzeit in Zusammenhang stehen, auch wenn manche Stücke als Gewässeropfer in Frage kommen (PAULI 1987, 306; 309).

Die Donau bei Ingolstadt zeigt als drittes der hier herangezogenen Beispiele für Gewässerläufe mit Deponierungen ebenfalls, wie unklar die Grenze zwischen sakraler und profaner Niederlegung in oder bei Gewässern sein kann. Bei den Funden östlich von Ingolstadt fällt der Gedanke an rituelle Deponierungen insgesamt leichter, vor allem mit Blick auf den hier zu suchenden, alten Flußübergang. Diese Interpretation läßt sich aber nicht auf jeden der dortigen Funde anwenden, wie die sicher ohne kultischen Hintergrund zurückgelassenen Pikettpfähle vom Auwaldsee belegen. Westlich der Stadt lassen sich dagegen profane Gründe für Gewässerfunde anhand der historischen Überlieferung leichter wahrscheinlich machen, dürfen aber ebenfalls nicht als Pauschalerklärung herangezogen werden, wie die Rippenziste von Dünzlau zeigt.

Zusammenfassung:

Der Augraben, der Brunnhauptenbach und die Donau bei Ingolstadt haben eine bemerkenswerte Palette an Funden geliefert, die direkt oder sehr eng mit dem Element Wasser in Verbindung stehen. Die Objekte fallen dadurch auf, daß es sich bei ihnen überwiegend nicht um das üblche, aus Siedlungen oder Gräbern geläufige Fundgut handelt. Dennoch entziehen sie sich einer schnellen und zusammenfassenden Deutung, so daß übergreifende Untersuchungen ebenso notwendig sind wie detaillierte Einzelbetrachtungen. Beides steht im Raum Ingolstadt weitestgehend noch aus. Die Veränderungen der Landschaft um Ingolstadt durch zahlreiche menschliche Eingriffe in das natürliche Gewässernetz verlangen ein besonders umsichtiges Vorgehen bei der Suche nach möglichen Gewässeropfern.

Der Fund des Bernstein-Colliers vom Augraben macht die Frage nach rituellen Deponierungen seit urgeschichtlicher Zeit im Raum Ingolstadt zu einem hochaktuellen Thema, unabhängig davon, wie dieser Fund selbst zu deuten ist. Seinen wissenschaftlichen Bearbeitern steht eine Vielzahl von Vergleichsmöglichkeiten aus der nächsten Umgebung des Fundortes zur Verfügung. Sie spannt den Bogen von den frühbronzezeitlichen "Kultdolchen" vom Augraben zu den wohl profanen Massenfunden mittelalterlicher und neuzeitlicher Eisenobjekte aus den Donauschütten. Schon jetzt zeichnet sich ab, daß auffällige Funde mit Gewässerbezug im Raum Ingolstadt nur zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten auftreten. Das "Geheimnis des Bernstein-Colliers" öffnet somit ein besonders faszinierendes Kapitel unserer Kulturgeschichte.

Gerd Riedel

Literatur


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