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Stadtarchäologie Ingolstadt
Rathausplatz
Ingolstadts unbekannte Frühzeit

Es verwundert zunächst, dass im Bereich der Ingolstädter Altstadtstraßen archäologische Befunde aus der Frühzeit der Stadt anzutreffen sind. Lernt doch jedes Ingolstädter Schulkind, dass die Stadt Mitte des 13. Jahrhunderts von den bayerischen Herzögen planmäßig mit einem regelmäßigen Straßennetz, einheitlich ausgerichteten Bauparzellen und wohl überlegt positionierten Marktplätzen angelegt worden ist. Die Straßen und Plätze der Kernstadt zwischen Schleifmühle, Altem Schloss, Holzmarkt und Münster sollten demnach schon damals bestanden und entsprechend frei von Bebauung gewesen sein.

Allerdings legen die Schriftquellen die Existenz mehrerer "präurbaner Siedlungskerne" nahe, also eigenständige Ortschaften, die vor der Stadtgründung auf dem späteren Stadtareal bestanden und im Zuge der Stadtwerdung "aufgesogen" und "überformt" wurden. Einen dieser Siedlungskerne darf man um die älteste Stadtpfarrkirche Moritzkirche voraussetzen. Weiterhin werden das "Osterdorf", also eine Ortschaft östlich der Moritzkirche, und der "vicus" im Knie des Stadtbachs genannt. Dieser "vicus" lag im Bereich der Schäffbräustraße beim alten Kornmarkt mit dem Georgskirchlein, das erst im 19. Jahrhundert abgebrochen worden ist.

Ausgrabungen auf dem Rathausplatz 2003. Foto: Stadtmuseum Ingolstadt, Dr. Gerd Riedel
Die zahlreichen Befunde auf dem Rathausplatz, die bei der Neugestaltung 2003/2004 ausgegraben und dokumentiert wurden, passten nicht mehr ins altbekannte Bild des frühen Ingolstadt. Gefunden wurden Pfostenspuren sich ablösender Holzbauten, eine frühe Platzpflasterung, die jedoch erstaunlicherweise von zahlreichen jüngeren Erdöfen durchschlagen wurde, so dass die befestigte Freifläche schon bald wieder gewerblichen Anlagen wich, sowie mehrere Gebäudekeller im Südteil des Platzes. Der Rathausplatz geht in seiner neuzeitlichen Ausdehnung somit nicht bis in die Zeit der Stadtwerdung zurück (Abbildung 1).

In den folgenden Jahren wurden in weiteren Straßenzügen Pfostengruben, Gräben und Reste in die Erde eingetiefter Öfen gefunden, die nicht zur "Planstadt des 13. Jahrhunderts" passten, so auch die Befunde in der Schäffbräustraße.
Erdofen unter dem Straßenbelag der Schäffbräustraße 2011. Foto: Stadtmuseum Ingolstadt, Dr. Gerd Riedel
Die Abbildung (2) zeigt deutlich die durch Hitze geröteten Wände eines dieser Öfen mitten im heutigen Straßenbereich. Ein weiterer war schon 1994 im westlich anschließenden Grundstück Schäffbräustraße 7 aufgedeckt worden, inmitten einer ausgedehnten, mit Asche und Holzkohle gefüllten Grube.

Braune Verfüllschichten des Stadtgrabens des 13. Jahrhunderts in der Schäffbräustraße. Foto: Stadtmuseum Ingolstadt, Dr. Gerd Riedel
In der Josef-Ponschab-Straße, wo man eigentlich den ältesten Stadtgraben vermutet hätte, konnten erneut eine ganze Reihe von Erdöfen dokumentiert werden. Der Stadtgraben zeigte sich dann allerdings doch noch, etwas weiter südlich in der Schäffbräustraße (Abbildung 3).

Rathausplatz und Schäffbräustraße im Kleinen Sandtermodell von 1571. Foto: Stadtmuseum Ingolstadt, Dr. Gerd Riedel
Aus zahlreichen, teils kleinen Einblicken in Ingolstadts historischen Boden wird somit deutlich, wie wandelbar die Stadtstruktur in ihrer Frühzeit noch gewesen ist. Wohnbereiche, Gewerbeflächen, Straßen und Plätze waren offensichtlich nicht von vornherein vorgegeben sondern grenzten sich erst im Laufe eines vielschichtigen Prozesses voneinander ab (Abbildung 4).

Text: Dr. Gerd Riedel. Fotos: Stadtmuseum Ingolstadt


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