Logo Kurt Scheuerer, Ingolstadt Wissensspeicher zur Geschichte von Ingolstadt  
Beatrix Schönewald:
Motive und Ansichten von Ingolstadt aus fünf Jahrhunderten
Geschichtlicher Hintergrund: Das 19. Jahrhundert

 
Die Napoleonischen Kriege verändern die politische und gesellschaftliche Landschaft Europas, sie bedeuten das Ende des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Es entstehen neue Königreiche von Napoleons Gnaden, darunter auch Bayern. In Ingolstadt beginnt das neue Jahrhundert mit der Verlegung der Universität nach Landshut. Zu spät erkennen die Ingolstädter die vor allem wirtschaftlichen Konsequenzen dieses Umzugs. Sie erleben den Einzug der Franzosen in ihre Stadt, den Beginn der Schleifung der Festung. Den Befehl dazu gab der Oberkommandierende der französischen Rheinarmee, General Moreau. Mit einem Aufgebot von ca. 7000 Arbeitern wurden die Befestigungsanlagen niedergelegt. Erst 1801 endeten die Demolierungsarbeiten beim Abzug der Franzosen.

Gleichzeitig beginnt die Säkularisation, die berühmte „Gnad" wird an die kurfürstliche Münze zum Einschmelzen abgeliefert. Die Stadt erhält 1803 das akademische Oratorium (sog. Asamkirche) für Gottesdienste der Marianischen Kongregation Maria de Victoria und für Schulgottesdienste und erwirbt die Hohe Schule.
Seit 1804 ließ Max IV. Joseph den besten Standort für eine neue bayerische Landesfestung als Zentralwaffenplatz in Bayern ermitteln, die Wahl fällt auf Ingolstadt.
Im Zuge der neuen Allianz mit Frankreich ziehen 1805 verbündete französische Truppen durch die Stadt. Die beginnenden Schanzarbeiten brachten über 2000 ArbeiterInnen nach Ingolstadt und verwandelten die Stadt in eine Großbaustelle. 1809 übernachtet Napoleon im Neuen Schloss am Tag vor der Schlacht bei Abensberg. 1813 wechselt Bayern die Seite und stellt sich gegen Frankreich: 6000 französische Kriegsgefangene werden einquartiert.

Das alte Stadtbild verändert sich: neue Festungsanlagen entstehen. 1828 erfolgt die feierliche Grundsteinlegung am Reduit Tilly durch König Ludwig I. zum Bau der Landesfestung. Mit der Festung eng verbunden die für Ingolstadt so einschneidenden Rayon-Bestimmungen, die erst Ende des 19. Jahrhunderts aufgehoben wurden: Ein Festungsrayon ist eine begrenzte Zone in der Umgebung von Festungswerken, in der den Grundeigentümern aus militärischen Erfordernissen gewisse gesetzlich geregelte Baubeschränkungen auferlegt wurden.
Die Bauarbeiten an den Festungsanlagen dauerten bis 1854. Vier Jahre vorher wurde die Festung für voll verteidigungsfähig erklärt. Zwei Festungsbaudirektoren zeichneten verantwortlich, Peter von Becker (1778–1848), Festungsbaudirektor von Ingolstadt und Ingenieuroffizier Michael von Streiter (1773–1838). Das zirkulare System wurde abgelöst vom polygonalen. Auch Leo von Klenze (1784 – 1864) wirkte mit und gab vor allem den Bauten am Brückenkopf ihr zeitlos schönes Gepräge. Die Festungsarbeiten führten auch zu Krawallen. Der größte war 1844, als Polizisten einen Arbeiter töteten.
Die Bevölkerung Ingolstadts wuchs um ein Drittel. Im Jahr 1880 zählt Ingolstadt um 15.000 Einwohner. Im Jahr 1851 wurde das 10. Infanterieregiment, errichtet 1682, von Regensburg nach Ingolstadt verlegt.

Mit den Festungsanlagen kamen die Rüstungsbetriebe nach Ingolstadt und veränderten nachhaltig die gesellschaftliche Zusammensetzung der Stadt.
Seit 1865 beginnt der Ausbau der Munitions- und Waffenproduktion: 1865 wird die erste armee-eigene Pulverfabrik Bayerns in Ebenhausen errichtet. Sie deckte den gesamten Pulverbedarf der Bayerischen Armee ab. Im Jahr 1874 wird die kgl. Geschoßfabrik in Ingolstadt gebaut, 1883 erfolgte die Verlegung des kgl. Hauptlaboratoriums (Munitionsfabrik) von München nach Ingolstadt. Ein Jahr später wurde die Augsburger und Ingolstädter Geschoß- und Geschützfabrik vereinigt zur „Kgl. Bayerischen Geschützgießerei und Geschoßfabrik", einem der wichtigsten Industriezweige der Stadt. Weitere Militärbauten entstehen wie die „Friedenskaserne", das Neue Zeughaus, das Kriegsspital in der Konviktkaserne.

Neue zivile Gebäude werden gebaut, andere abgerissen: 1874 das neue Stadttheater am Gouvernementplatz, 1929 wird es modernisiert. Auf Drängen des Festungsgouvernements wird die Alte Stadtwache auf dem Gouvernementplatz entfernt, um ein besseres Aufmarschgelände zu schaffen.

Der Magistratsrat stimmt gegen den im Rahmen des Stadterweiterungs-Projektes gefassten Beschluss der Gemeindeverordneten, das Kreuztor abzureissen. Im Jahr 1882 wird das alte Rathaus nach Plänen des Münchner Architekten, Prof. Gabriel (seit 1900 von) Seidl (1848 – 1913) umgebaut und erhält sein heutiges Aussehen.

Es verändert sich auch die politische Situation der Städte: 1818 wird die bayerische Verfassung erlassen, in der Folge das Gemeinde-Edikt: Die Magistratsverfassung sieht nunmehr Bürgermeister, Magistrat und das Kollegium der Gemeindebevollmächtigten vor.
Im Zuge der Verfassung und der Neuorganisation des Reiches entstehen politische Parteien. Im Jahr 1848 wird der gemäßigt-liberale „Konstitutionell-monarchistische Vaterlandsverein" gegründet. 1869 erfolgt die Gründung des liberalen Bürgervereins als Wahlverein der Freisinnigen Partei. 1872 gibt es die erste Nennung von sozialdemokratischen Parteimitgliedern. 1894 wird der Katholische Arbeitsverein gegründet.

Es werden neue Zeitungen gedruckt: 1859 wird als erste Ingolstädter Tageszeitung das „Ingolstädter Tagblatt" gegründet. Der Herausgeber und Redakteur ist Georg Schröder, er übernimmt auch das „Ingolstädter Wochenblatt". 1872 wird die „Ingolstädter Zeitung" gegründet, Herausgeber ist Alois Ganghofer aus Landshut.

Das Transportwesen erfährt eine revolutionäre Erweiterung: Im Jahr 1834 beginnt die Befahrung der Donau mit Dampfschiffen. Wirtschaftliche Zwänge, vor allem die starke Konkurrenz durch die Eisenbahn erzwangen 1883 die Einstellung der Schifffahrtslinie Regensburg-Donauwörth.

Im Jahr 1867 wird die Eisenbahnlinie Ingolstadt-München in Betrieb genommen, drei Jahre später die Eisenbahnlinie Ingolstadt-Nürnberg. Es wird der provisorische, heute noch existierende Nordbahnhof errichtet. 1872 genehmigt die Regierung den Zentralbahnhof bei Ringsee anstatt – wie geplant – bei Oberstimm.

Die neue technische Ära der Stadtentwicklung setzt ein, als 1850 die Kanalisierungsarbeiten beginnen. Im Jahr 1859 wird Ingolstadt militärisch und zivil an das bayerische Telegraphennetz angeschlossen. Die Petroleumslampen der Straßenbeleuchtung werden durch helles Gaslicht ersetzt. Ab 1878 verkehrte die Pferdebahn zwischen Hauptbahnhof und Rathausplatz.
In einer großangelegten Aktion wurde 1887 die Schutter in der Altstadt eingewölbt.
1891 erfolgt der Bau der neuen Wasserleitung, ein Jahr später wird die städtische Wasserleitung eröffnet.
1896 wird ein neuzeitlicher „Zentralschlachthof" begonnen.

 

Dr. Beatrix Schönewald
Mit den Augen der Künstler - Motive und Ansichten von Ingolstadt aus fünf Jahrhunderten
Ausstellung im Stadtmuseum Ingolstadt 2006 zum Jubiläum 1200 Jahre Ingolstadt


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